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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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SOLLTEST, MICH MAMA ZU NENNEN , dann … Tu das ja nie nie nie wieder, wag es nicht, sonst wird es dir übel ergehen, hast du gehört? HAST DU MICH VERSTANDEN? Und was ich dir noch sagen wollte …« Die Worte purzelten nur so aus ihr heraus, stießen aneinander, vermischten und überholten sich und ergossen sich in einer Tirade lang aufgestauter Wut.
    »Du und dein Vater! Du bist genau wie er. Da versucht man, nett und freundlich zu sein, und du lachst einen nur aus. Bloß weil ich nicht so klug bin wie du, machst du dich über mich lustig. O doch, das tust du! Ich bin nicht so dumm, dass ich nicht wüsste, wann sich die Menschen über mich lustig machen! Und du hörst nicht auf damit, Tag für Tag, Jahr um Jahr, bis ich selbst fast glaube, ich sei so blöd, wie du es von mir denkst! Das ist die einzige Möglichkeit für mich, es auszuhalten; so zu tun, als sei ich eine dumme Gans. Und vielleicht bin ich am Ende wirklich eine; vielleicht habt ihr beide, du und dein Vater, mich endlich so weit gebracht. Aber … aber …« Sie hielt inne und holte tief Luft. »Aber ich bin nicht verrückt, Mr. Herbie Layman! Ich bin es nicht, also behandle mich auch nicht so! Und ich bin auch nicht deine Mutter, also hör auf, mich Mama zu nennen!«
    Ich sah in ihre sanften braunen Augen, die nun ganz hart waren und vor aufkeimenden Tränen glänzten. Leise sagte ich, es würde mir leidtun, falls ich sie je beleidigt haben sollte, und dass ich mich anstrengen würde, es nie wieder zu tun.
    »Und ich werde dich natürlich nicht mehr Mama nennen. Ein Überbleibsel aus Kindertagen, nehme ich an, aber ich bin ja kein Kind mehr.«
    »Nein, bist du nicht!«, fauchte sie mich an. »Und ich bin nicht, na, Schwamm drüber. Ich will nur so viel sagen, dass du vielleicht noch etwas anderes feststellen wirst, nachdem du jetzt beschlossen hast, kein Kind mehr zu sein!«
    »Schon möglich«, sagte ich und nickte. »Aber was da heute passiert ist, also, ich weiß gar nicht, wie …«
    »O doch, das weißt du! Aber sicher!«
    »Tut mir leid, wenn du das glaubst«, sagte ich. »Tut mir leid, dass du so eine schlechte Meinung von mir hast, Carol.«
    »N-na ja, aber Herbie …« Ihre Lippen zitterten. »Wenn du es nicht warst – dann muss ich es ja – und ich war’s nicht! Ehrlich nicht …«
    »Tut mir sehr leid«, fuhr ich fort. »Auf meine eigene Art, und offenbar ist es die falsche, was dich betrifft, mag ich dich mehr, als ich in Worte fassen kann.«
    Ich nickte würdevoll, wendete mich ab und murmelte, ich würde mich eine Weile hinlegen.
    Ihre Stimme folgte mir: »Ach, Herbie! Herbie Schatz …«
    Und damit hätte ich beruhigt sein können. Dieser Beweis dafür, dass ihr Ausbruch keinerlei Bedeutung hatte, dass er so sinnlos war wie seine Schöpferin, hätte mich aufmuntern sollen. Denn sie hielt alle Waffen, die Tatsachenbeweise für das, was ich ihr antat, in der Hand, und doch war sie gewillt, sie nach ein paar sanften Worten zu strecken.
    Doch aus irgendeinem Grund munterte mich das nicht auf; ich fühlte mich nicht wohl. Irgendwie klang das, was eine Bestätigung hätte sein müssen, wie eine Ablehnung.
    Erst der Doktor, dann die Kellnerin … ja, selbst diese blöde Schlampe … und jetzt Carol. Ich ließ mich auf die Bettkante sinken und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Eine Wolke schien sich auf mich zu senken, schien mich zu umfassen, die Welt auszusperren. Eine braune Wolke, so braun wie Carols Augen; und aus ihren Tiefen schien ich ihr Lachen zu hören, höhnisches, hasserfülltes Gelächter. »Ho, ho, ho! Du wirst schon sehen. Ich bin nicht so dumm, wie du denkst …«
    Die Wolke verdichtete sich, wurde immer bleierner, stickiger. Ihr Gewicht drückte mich nieder, presste mich zusammen, machte mich kleiner und kleiner und ließ die Welt entsprechend größer werden. Und mir war, als hörte ich noch eine andere Stimme, als sähe ich ein aufgedunsenes, rotäugiges Gesicht und röche den sauren Duft von Whiskey.
    »Plot? Es gibt nur einen Plot auf der Welt, mein Junge. Gibst du ihnen was anderes, dann erschlagen sie dich damit.«
    »Polti meint, es gäbe zweiunddreißig Plots.«
    »Die haben alle denselben Papa, den einen grundlegenden Plot. Die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen, das ist der Papa der zweiunddreißig. Die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen.«
    »Kein einziges? Nichts ist jemals so, wie es zu sein scheint?«
    »Nur – hicks – nur wenn es stinkt. Wenn es stinkt, dann ist das so. Der
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