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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti
Autoren: Paul Grote
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dem Zirpen der Grillen, die Sonnenbrillen wirkten so undurchdringlich wie die schwarzen Balken über den Augen einer unkenntlich retuschierten Person in der Zeitung. Fünf Schritte waren sie entfernt, dann noch vier ...
    Irritiert beobachtete Frank, wie der Große weiche Lederhandschuhe überstreifte – wozu das, bei dieser Hitze? Frank wich zurück, spürte, wie ihm eine Welle der Aggression entgegenschlug, packte unwillkürlich mit der linken Hand das Teleobjektiv fester. Er hob die Kamera, bereit zur Aufnahme, wollte die Augen der Männer sehen, versuchte zu begreifen, was sie von ihm wollten.
    Da schoss die Hand mit dem Handschuh auf ihn zu ... An sie konnte Frank sich später genau erinnern – im Gegensatz zu den blassen, nichtssagenden Gesichtern. Braun war der Handschuh, innen so glänzend wie eine frische Kastanie, feine Nähte, die kaum auftrugen, verdammt teuer, dünnstes Leder, das nirgends eine Falte warf, am Handrücken und über den Knöcheln waren dunkle Flecken ...
    Jetzt hatte Frank die Kamera am Auge – zu spät, der Handschuh war schneller, er griff nach dem Objektiv:
    «Dammi la macchina , stronzo !», hörte Frank den Mann sagen. Die Stimme kam tief von ganz unten, und er rollte das r von stronzo , Scheißkerl, mit breitestem amerikanischem Akzent. Er packte das Objektiv und wollte es Frank mit einem Ruck aus den Händen reißen, doch der Trageriemen blieb an seinem Nacken hängen, und Frank stürzte nach vorn, prallte gegen den Mann, stieß sich den Kopf an der Kamera, versuchte, sie mit einer Hand festzuhalten und sich mit der anderen abzustützen. Da rutschte der Riemen über den Hinterkopf, und er erhielt einen derben Schlag vor die Brust, der ihn zurückwarf. Er strauchelte, fing sich wieder und richtete sich erschrocken auf.
    «How do you open that shit ?», hörte er jemanden sagen. Seine Sorge galt nun weniger sich selbst als der Kamera, als er sah, wie grob sein Gegenüber an ihr herumfingerte.
    Empört streckte Frank die Arme aus. «He! Was soll das? Gib den Apparat her!»
    Der verdammte Idiot stand im Begriff, sie zu ruinieren. Gleichzeitig kam Frank sich lächerlich vor, wie ein Kind, das heulend die Arme nach seinem Spielzeug ausstreckt. Er stutzte – hatte der Kerl nicht eben englisch gesprochen?
    Der Kleinere ging dazwischen und schlug Frank die Hände weg: «Leva le tue sporche mani di dosso!» Er sagte es schnell und in fehlerfreiem Italienisch, aber der Akzent war derselbe wie der seines Begleiters.
    «Meine Kamera ... he, was soll das? Seid ihr verrückt geworden? Give it back ... dammela !», stieß Frank hervor, eher perplex und verständnislos als wütend, aber gleichzeitig dämmerte es ihm, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Straßenraub handelte.
    Taschendiebe und Autoknacker bevorzugten Pisa, Genua oder die Adria, da gab es was zu holen, aber nicht in der Einsamkeit der toskanischen Berge. Dass sie es nicht auf die Kamera, sondern auf den Film abgesehen hatten, wurde beim nächsten Satz klar.
    «Merda! Come cazzo si apre ?», schimpfte der Große.
    Fassungslos sah Frank den Mann auf alle Knöpfe drücken und an jedem Hebelchen zerren, als hätte er nie eine Spiegelreflex in Händen gehalten. Das Herumfummeln mit den sporche mani , den dreckigen Händen, wie die Kanonenkugel gesagt hatte, das traf auf ihn selbst zu – seine sporche mani würden die Kamera zerstören.
    Es reichte. «No. Alt !», stieß Frank wütend hervor. «Ich zeige euch, wie sie aufgeht.» Vielleicht ließen sie von der Kamera ab, wenn er ihnen den Film gab. «Man muss die Entriegelung vom Rückspulknopf nach links drehen und ihn anheben, dann springt die Rückwand auf...»
    Weshalb vergriff sich dieser Idiot an seinem Fotoapparat? Frank kapierte es einfach nicht. Kamen jetzt die Amis schon zum Klauen nach Europa? Hielten sie ihn womöglich doch für einen Touristen? Wenn die Burschen nur den Film wollten – na schön, dafür würde er sich nicht die Zähne einschlagen lassen, aber sie sollten verdammt nochmal die neue Kamera in Frieden lassen – er hatte sie eigens für diesen Auftrag gekauft. All das schoss ihm in diesem Moment durch den Kopf.
    Frank machte einen Satz auf den Mann zu – und sprang direkt in die Faust der Kanonenkugel hinein, die ihn kurz unterhalb der Rippen traf. Ihm war, als würde die gesamte Luft aus seiner Lunge gelassen, und er fiel wie ein leerer Sack in sich zusammen. Der Große packte ihn am Kragen, der Kleinere half, ihn auf die Beine zu stellen, es fiel
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