Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schatten ueber Broughton House

Titel: Schatten ueber Broughton House
Autoren: Candace Camp
Vom Netzwerk:
Prolog
    New York, 1879
    Ein Schrei gellte durch die Nacht.
    Kerzengerade setzte sich Megan Mulcahey in ihrem Bett auf. Sie war sofort hellwach, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Dennoch brauchte sie einen Augenblick, um zu begreifen, was sie geweckt hatte. Dann hörte sie abermals die Stimme ihrer Schwester.
    „Nein!“
    Im Nu war Megan aus dem Bett gesprungen und zur Tür hinausgeeilt. Das Haus, in dem sie lebten, war nicht groß - ein schmales Reihenhaus aus Backstein mit drei Schlafzimmern im ersten Stock und so war sie schnell bei Deirdres Tür angelangt und riss sie auf.
    Deirdre saß in ihrem Bett und starrte entsetzt in die Dunkelheit. Ihre Arme hatte sie von sich gestreckt, als wolle sie etwas greifen, das nur sie sehen konnte, und Tränen standen ihr in den Augen.
    „Deidre! “ Megan eilte zu ihrer Schwester und packte sie fest bei den Schultern. „Was ist geschehen? Wach auf, Deirdre!“ Noch während Megan sie schüttelte, wich die beängstigende Ausdruckslosigkeit in der Miene ihrer Schwester allmählichem Verstehen.
    „Megan!“ Deirdre schluchzte und schlang die Arme um ihre ältere Schwester. „Oh, Megan. Es war furchtbar!“
    „Die Heiligen mögen uns beistehen!“, ließ sich ihr Vater von der Tür her vernehmen. „Was um alles in der Welt geht hier vor sich?“
    „Deirdre hat schlecht geträumt“, erwiderte Megan und bemühte sich, ihre Stimme ruhig und tröstlich klingen zu lassen, während sie ihrer Schwester über das Haar strich. „Nicht wahr, Dee? Es war nur ein Albtraum.“
    „Nein.“ Deirdre holte tief Luft und wischte sich die Tränen von den Wangen, sah erst Megan an und dann ihren Vater. Ihre Augen waren noch weit aufgerissen und schimmerten dunkel. „Ich habe Dennis gesehen.“
    „Du hast von Dennis geträumt?“, vergewisserte sich Megan. „Es war kein Traum“, entgegnete Deirdre. „Dennis war hier und hat zu mir gesprochen.“
    Ein kalter Schauer lief Megan über den Rücken. „Dennis ist seit zehn Jahren tot.“
    „Er war es aber“, beharrte Deirdre. „Ich habe ihn hier vor mir gesehen, und er hat zu mir gesprochen.“
    Ihr Vater kam eilig zu ihnen herüber, ging vor seiner Tochter in die Knie und blickte ihr fragend ins Gesicht. „Bist du dir sicher, Deirdre? War es wirklich Dennis?“
    „Oh ja! Er sah genauso aus wie an jenem Tag, da er an Bord des Schiffes ging.“
    Megan fehlten die Worte, und sie schaute ihre Schwester fassungslos an. In ihrer Familie hieß es gern, dass Deirdre das zweite Gesicht habe, denn sie war empfänglich für allerlei Vorahnungen - von denen zu viele sich schon bewahrheitet hatten, als dass Megan gänzlich an dieser Begabung ihrer Schwester hätte zweifeln können. Meist jedoch beschränkten Deirdres Prophezeiungen sich darauf, dass eine Freundin oder ein Verwandter sich in Schwierigkeiten befände oder sie heute noch besuchen werde. Megans eher praktische Natur ließ s i e daher glauben, dass ihre Schwester einfach über eine gewisse Empfindsamkeit verfügte, die es ihr erlaubte, bestimmte Anzeichen um sich her wahrzunehmen, die den meisten Menschen entgingen. Es war durchaus eine bewundernswerte Fähigkeit, das musste auch Megan eingestehen, aber sie hatte dennoch ihre Zweifel, ob es eine übersinnliche Gabe war, wie manche meinten.
    Deirdre war klein und zierlich, mit großen und sanften blauen Augen, einem hellen Teint und rotblondem Haar, was sie wie eine Elfe aussehen ließ und ihr eine ätherische Ausstrahlung verlieh. Dies weckte in den meisten Menschen das Gefühl sie beschützen zu wollen - so auch bei Megan -, und mochte manch einen tatsächlich glauben lassen, Deidre habe übersinnliche Fähigkeiten.
    Doch nie zuvor hatte sie behauptet, jemand längst Verstorbenes gesehen zu haben. Megan wusste nicht, was sie davon halten sollte. Einerseits wehrte sich ihr gesunder Menschenverstand gegen die Vorstellung, der Geist ihres Bruders könne hier umhergehen und mit ihrer Schwester sprechen. Sehr viel wahrscheinlicher war schließlich, dass Deirdre einen Albtraum gehabt hatte, den ihr schlaftrunkener Verstand für die Wirklichkeit hielt. Aber wenn es wirklich eine Botschaft war ... Die Wahrheit war natürlich, dessen war sie sich bewusst, dass sie sich wünschte, dass es so sein möge - ebenso wie ihr Vater hoffte sie, dass ihr geliebter Bruder noch in irgendeiner Form unter ihnen und nicht für immer verloren wäre.
    „Was hat er gesagt?“, wollte Frank Mulcahey wissen. „Warum ist er zu dir gekommen?“
    Deirdres
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher