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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt
Autoren: Norbert Zähringer
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Bankkonto haben. Natürlich kannst du jetzt fragen, warum sie bei sich zu Hause keine Frau abbekommen, sondern dafür bis in die Ukraine fahren müssen. Gute Frage! Der Haken ist nämlich, dass die was an der Waffel haben. Und wenn das bedeutet, dass sie noch in die Hosen machen oder abends ein Schlafliedchen brauchen, hast du Glück gehabt.
    Bei so einer Fleischbeschau lernt Miss Popo einen Mann Anfang fünfzig kennen. Er sei Bauunternehmer, sagt er zu ihr, komme eigentlich aus England, lebe und arbeite aber im sonnigen Portugal. Er ist wirklich nett, interessiert sich auch für mehr als nur ihren Popo, beachtet die große Nase gar nicht. Vielleicht weil er selbst einen dicken Bauch hat, ja – einen Makel hat er, der Kerl ist ein Koloss, aber was soll’s, denkt sie, wenn von nun an das Leben ein einziger langer Urlaub ist? Die beiden finden Gefallen aneinander. Bevor sich das Paar dann glücklich auf den Weg nach Westen macht, geschieht etwas Seltsames: Miss Popo findet im Gepäck ihres Liebsten die Adressen und Fotos von einem halben Dutzend weiteren Agenturmädchen. Als sie ihn darauf anspricht, kriegt er einen Wutanfall, und zum ersten Mal sieht Miss Popo sein wahres Gesicht. Aber vielleicht nicht lange genug. Vielleicht hat sie ihn tatsächlich ein bisschen lieb und will nicht wahrhaben, was sie da gesehen hat. Wie dem auch sei – ebenso schnell, wie er auf hundertachtzig gewesen ist, beruhigt er sich wieder, entschuldigt sich und erklärt, dass er ja nicht habe wissen können, dass er die Frau seines Lebens gleich auf Anhieb finde. Nie habe er zu träumen gewagt, dass er noch zu solchen Gefühlen fähig sei, wie er sie jetzt für Miss Popo empfinde. Undsoweiterundsofort. Das hätte sie eigentlich misstrauisch machen sollen. Doch sie will, dass er es ehrlich meint, verstehst du? Sie will glauben, dass ihr endlich einmal jemand im Leben etwas wirklich Nettes gesagt hat, ohne Hintergedanken. Dass endlich mal was klappt. Gut ausgeht. Wollen wir das nicht alle?»
    Sie zündete sich eine Zigarette an, trank einen Schluck Bier und sah dann nachdenklich aus dem Fenster des kleinen Zimmers, in dem Anna die nächsten Wochen wohnen konnte. Das Fenster ging auf einen gelbgrauen Hinterhof hinaus. Zwischen zwei zerbeulten Mülltonnen huschte, Schatten suchend, eine Katze.
    «Also, sie verloben sich noch im Kiewer Hotel mit großem Tamtam, und alle anderen Mädchen weinen, und schon geht sie mit ihm nach Portugal. Dort wohnen sie in einer Ferienanlage, die der Unternehmer selbst gebaut hat. Tagsüber liegt sie am Pool, abends kommt der dicke Prinz müde, aber zufrieden nach Hause. Doch nach und nach ist das Leben für sie nicht mehr so toll. Sie würde gerne mal aus der Ferienanlage raus, aber der Prinz hat Angst vor Banditen, die Touristen ausrauben, und außerdem, sagt er, spreche sie die Sprache doch auch noch gar nicht richtig. Die anstehende Heirat verzögert sich immer wieder, angeblich wegen irgendwelcher fehlenden Papiere. Er nimmt die Schlüssel für die Garage, in der der Zweitwagen steht, immer mit. Und auch, was die romantische Liebe angeht, ändert sich was. Es stellt sich heraus, dass er mehr auf die harte Tour steht, der Fettsack. Und dann hat er eines Abends so ein Seidentuch und die Idee, dass sie es auch mal mit ein wenig Strangulieren machen könnten – aber das ist ihr dann wirklich zu viel. Sie sagt nein und auf das Nein ein richtiges Nein! Da steht ihr Traumprinz gar nicht drauf. Sie kriegen mächtig Streit, er haut ihr eine runter.
    Von da an ist ihr Leben die Hölle. Er droht ihr für den Fall, dass sie abzuhauen versucht, mit dem Tod. Nun gibt es in dem riesigen Haus einen Keller. Und in dem Keller gibt es einen Raum, der immer abgeschlossen ist. Oft hat sie ihn dorthin gehen sehen, weiß, wo er den Schlüssel versteckt, hat sich aber nie etwas dabei gedacht, vielmehr geglaubt, er holt dort Wein oder so was. Aus welchem Grund auch immer, ob aus Langeweile oder Neugier oder weil sie eine Ahnung hat, auf jeden Fall stibitzt sie sich eines Tages den Schlüssel und geht in den Keller. Und sie findet tatsächlich ein großes Weinregal und nimmt sich eine Flasche und gönnt sich aus Bosheit erst mal einen guten Tropfen. Dann entdeckt sie, dass da noch was ist in dem Keller – eine große Tiefkühltruhe. Du wirst nicht glauben, was dadrin war: unter anderem eines der Mädchen, deren Fotos Miss Popo im Hotel gefunden hatte. Körperteile – Arme, Hände, Finger, Ohren, Köpfe –, feinst säuberlich
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