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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt
Autoren: Norbert Zähringer
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hatte sie die Geschichte von «Miss Popo» gehört, einer Frau, die mal Tamara, mal Elena oder Olga hieß. In allen Fällen handelte es sich um eine junge Frau, die entweder eine große Nase oder abstehende Ohren hatte, immer aber ein betörendes Hinterteil. Deswegen hatte man sie auf einer der unzähligen und allen möglichen Motti folgenden Wahlen zur «Miss Popo Ukraina» – zur Frau mit dem schönsten Hintern der Ukraine – gekürt, allerdings war sie dann bei der Welt-Popo-Wahl im Finale einer Mexikanerin unterlegen. Wie immer bei solchen Geschichten kannte jeder diese Tamara, Elena oder Olga über mehrere Ecken, und jeder schwor, dass das Erzählte von vorne bis hinten wahr sei, so auch Annas Kommilitonin aus dem Astrometrie-Seminar, auf deren Bett im Studentenwohnheim sie jetzt saß.
    «Also damit, dass die dicke Mexikanerin sie mit ihrem breiten Arsch buchstäblich aus dem Rennen gestoßen hatte, also – damit fing das ganze Unglück so richtig an. Sie hatten ihr nämlich vorher versprochen, dass sie einen Model-Vertrag bekommen würde, aber wie das so ist, stellte sich dann heraus, dass sie nur in einer Dauerwerbesendung für irgendeinen Fetischfummel auftreten durfte, wobei man sie immer nur vom Hals abwärts zeigte, wegen ihres dicken Zinkens, verstehst du, und das Ganze sogar für fast kein Geld, denn das meiste bekam der Typ, der diese Misswahl organisiert hatte. Danach dauerte es nicht lange, und sie war wieder genauso abgebrannt wie vorher, und außer ein paar Kerlen, die mit ihr so komische Filmchen drehen wollten – kannst dir ja denken, was für Streifen das gewesen wären –, interessierte sich auch niemand mehr für ihren Hintern. Was macht ein armes Mädchen da? Es sucht sich einen reichen Mann. Miss Popo geht zu einer Partnervermittlung, die Kiewer Mädchen wie uns an reiche, nicht mehr ganz so frische Ausländer vermittelt. Das heißt: Sie geht nicht nur zu
einer
Agentur. Sie geht zu fünf, sechs, sieben verschiedenen. Wusstest du, dass die ihr Geld mit den Adressen verdienen? Fünfzehn Dollar kriegen sie für eine. Sie verkaufen den Kerlen aus dem Westen die Adressen, und wenn ein Mädchen nur hübsch genug aussieht, verkaufen sie die Adresse tausendmal. Sie haben gar kein Interesse daran, dass die Mädchen schnell einen abkriegen, oder es ist ihnen egal, denn sollte ein Mädchen tatsächlich heiraten, kann man die Adresse zum Foto ja trotzdem noch verkaufen, so lange jedenfalls, bis sich jemand beschwert.
    Die Agenturen veranstalten dann solche Gruppentreffen, bei denen in einem Hotel zwei Dutzend Mädchen auf ein halbes Dutzend Männer treffen. Ein Drittel von den Damen sind Professionelle, und ein weiteres Drittel wären gern welche oder haben es nur auf den Champagner abgesehen, aber das letzte Drittel, na ja, die suchen vielleicht wirklich den Mann fürs Leben. Also. Alle müssen sie sich in einer Reihe aufstellen, dann gehen sie eine nach der anderen zu diesen Herren an einen Tisch und haben eine Viertelstunde Zeit zum Reden. Das heißt – eigentlich sollen sie gar nicht so viel reden. Sie sollen ihre Beine zeigen, ihre Hintern, ihre Titten. Es geht zu wie auf einem Sklavenmarkt.»
    Annas Kommilitonin zog ihre Zigaretten hervor, öffnete mit dem Feuerzeug eine Flasche Bier und prostete ihr zu, bevor sie fortfuhr:
    «Eine Viertelstunde, man stelle sich das vor, eine Viertelstunde nur, die über die Zukunft entscheidet, über das ganze Leben. Gut, nehmen wir mal die Kerle aus, die nur was für eine Nacht suchen, dann gibt es im Wesentlichen zwei Gruppen: zum einen die alten Knacker – meistens Deutsche. Von den ganz alten, ich meine die, bei denen das Gebiss klappert und der Sabber aus den Mundwinkeln läuft, waren ein paar schon mal hier in Kiew – kannst dir ja denken,
wann
. Merk dir: Wer mit einem germanischen Opa mitgeht, der muss sich seine Erbschaft sauer verdienen. Denn egal, ob der Deutsche eine Reise macht, ins Theater geht oder sich eine Frau kauft – das oberste Gebot lautet: Bezahlt ist bezahlt. Du kannst dich schon mal drauf einrichten, dass du fortan den Abwasch machen und seinen kleinen, schrumpeligen Pimmel wichsen musst, während er dir seine Kriegsgeschichten erzählt: ‹Damals in den Prybjat-Sümpfen, damals am Dnjepr, ach, all die toten Kameraden … könntest du mir erst meine Tränen und dann meinen Adolf trocknen?›
    Die andere Gruppe sind die Gestörten. Typen zwischen 30 und 50 , von denen einige ganz charmant sind und manchmal auch ein dickes
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