Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
drüber wachsen‹, ja?«
    »Wenn Sie tun, was ich sage, sicher.«
    Ich sah ihn an. »Das heißt, ich verschwinde bloß eine Weile, und wenn ich zurückkomme … ist alles wie vorher?«
    »Genau.«
    »Und damit können Sie leben?«
    Er grinste. »Es wird mich nicht umbringen.«
    »Was ist mit dem Geschäft?«
    »Welchem Geschäft?«
    »Meinem Geschäft.«
    »Was soll damit sein?«
    »Na ja, wenn ich ein paar Wochen verschwinde – «
    »Machen Sie einfach dicht, verdammte Scheiße. Schließlich hört die Welt nicht auf sich zu drehen ohne Ihren Privatdetektiv-Laden, oder?« Er sah mich an. »Was soll schon passieren? Dass Sie ein paar Versicherungsbetrugsfälle verlieren? Dass Ihnen die Chance entgeht, irgendeinen DVD-Piraten hochzunehmen?«
    »Davon bezahl ich meine Rechnungen«, antwortete ich.
    »Brauchen Sie Geld? Ich kann Ihnen was – «
    »Ich brauch kein Geld.«
    »Wo liegt dann das Problem?«
    »Schon gut …«, hatte ich seufzend geantwortet und den Kopf geschüttelt. »Alles in Ordnung.«
    Tu’s einfach , hatte Stacy später am Abend gesagt. Warum denn nicht. Schließ dein Büro für ein paar Wochen, fahr irgendwohin, wo es schön ist, und versuch das Ganze zu vergessen. Wer weiß … vielleicht gefällt’s dir ja sogar.
    Ich war mir nicht sicher, ob es mir auf Hale Island gefallen würde, und wahrscheinlich war es auch nicht die Art von Ort, die Stacy gemeint hatte, als sie sagte, ich solle irgendwo hinfahren, »wo es schön ist«. Aber ich hatte in letzter Zeit viel über meinen Vater nachgedacht – seine Vergangenheit, seine Geschichte, seinen Selbstmord –, und als ich Cal Franks, meinen angeheirateten Neffen und gelegentlichen Mitarbeiter, anrief und ihn bat, so viel wie möglich über Serina Mayo herauszufinden, und er feststellte, dass sie auf Hale Island wohnte und eine achtzehnjährige Tochter hatte … nun ja, da hatte ich eben gedacht, wieso nicht?
    Pack eine Tasche, buch ein Hotelzimmer, schließ das Büro …
    Steig in einen Bus …
    Wieso nicht?
    Fahr einfach.
    Versuch das Ganze zu vergessen.
    Wieso nicht?
    Es gab viel zu vergessen.
    Das Hotel, in dem ich wohnte, war ein kurioses altes Ding namens Victoria Hall. Früher war es sicher mal ziemlich nobel gewesen, doch mit den Jahren, als das Geschäft nicht mehr so lief, war die Pracht verblasst. Es war immer noch passabel und wirkte aus der Ferne weiterhin recht imposant, doch aus der Nähe sah man sofort, dass es seine beste Zeit lange hinter sich hatte. Die verwitterten Wände, die Türen, die nicht richtig schlossen, die abgestandene, muffige Atmosphäre …
    Es war weiß Gott nicht das Ritz.
    Aber es lag nah beim Dorf und auf der Rückseite war gleich das Meer, außerdem war es relativ preiswert. Und die Zimmer waren geräumig, mit großen, zweiflügeligen Fenstertüren hinaus auf einen Balkon, was bedeutete, dass ich rauchen konnte. Doch der Hauptgrund, mich für das Victoria Hall zu entscheiden, war eine Kindheitserinnerung gewesen. Auf dem Rückweg von unseren Sonntagnachmittagsausflügen an den Strand waren wir jedes Mal daran vorbeigefahren und irgendwas an dem Haus hatte mich immer fasziniert … ich wusste nicht, was. Damals hatte ich nicht mal gewusst, dass es überhaupt ein Hotel war. Ich schaute es einfach gern an – das große weiße Gebäude mit den vielen merkwürdigen Fenstern, den hohen Ziegelschornsteinen, den schiefen Balkonen – und ich fragte mich, wie es wohl wäre, dort zu wohnen.
    Ich weiß natürlich, dass es meist keine gute Idee ist, Kindheitsträume zum Leben zu erwecken, weil die Wirklichkeit in der Regel so trist und enttäuschend daherkommt, aber in diesem Fall … Ehrlich gesagt ging es mir sowieso derart beschissen, dass es auf ein bisschen Enttäuschung auch nicht mehr ankam.Es war gegen 11.30 Uhr, als ich an jenem Tag zum Hotel zurückkam. Der weißhaarige alte Mann, der das Haus leitete, saß hinter der Rezeption und las Zeitung, doch als ich eintrat, schaute er sofort auf, lächelte mich an und linste mit seinen leuchtenden alten Augen über den Rand der Lesebrille.
    »Guten Morgen, Mr Chandler«, sagte er. »Genießen Sie dieses Wetter?«
    Das leichte Zwinkern in den Augen und der fast unmerkliche Nachdruck bei den Worten »Mr Chandler« machte mir klar, dass er wusste, es war nicht mein richtiger Name. Genau so hatte er mich angesehen, als ich am Tag zuvor unter John Chandler eincheckte, mit diesem Blick, der wie ein Wink war: Keine Sorge, John, Ihr Geheimnis ist bei mir in sicheren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher