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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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1
    Sie traten zusammen aus dem Haus, Mutter und Tochter. Die Mutter war siebenunddreißig, die Tochter achtzehn. Sie stritten. Ich konnte nicht hören, worüber, denn ich saß in einem Bushäuschen ungefähr vierzig Meter entfernt und vom Meer her blies ein kalter Wind, der ihre Stimmen übertönte. Doch als die Mutter ungeduldig auf ihre Uhr sah und die Tür des alten Ford Escort öffnete, der vor dem Haus stand, die Tochter dagegen beim Eingang blieb und sich wütend die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf zog, ließ sich leicht erahnen, worum der Streit ging.
    Ich hab keine Zeit, dich mitzunehmen, verstanden?
    Dauert doch nur fünf Minuten.
    Ich hab aber keine fünf Minuten.
    Verdammte Scheiße, Mum, ich komm zu spät.
    Na und, ist das meine Schuld?
    Beide wirkten älter, als sie wirklich waren, erschöpft und vor der Zeit verbraucht – erschöpft von den immer gleichen Streitereien, erschöpft voneinander, erschöpft von allem. Das Leben war einfach zu hart. Es zehrte an einem, jeden Tag mehr …
    Es versteinerte die Seele.
    Die Mutter blieb einen Augenblick stehen und sah ihre Tochter an – warum muss es immer wieder so laufen? –, doch die Tochter ignorierte sie jetzt, mied ihren Blick und starrte zornig vor sich hin.
    Die Mutter schüttelte den Kopf, stieg in den Wagen und fuhr davon.
    Sie hieß Serina Mayo.
    Als sich der Escort dem Bushäuschen näherte – mit stotterndem Motor und bläulich grauer Qualmwolke –, senkte ich instinktiv den Blick und tat so, als würde ich in der Zeitung lesen, die auf meinem Schoß lag, doch fast im selben Moment erinnerte ich mich, wo ich war und was ich tat, schaute wieder hoch und sah den Wagen ganz offen an. Ich musste keine Angst haben, dass meine Tarnung aufflog. Es gab überhaupt keine Tarnung. Heute nicht. Ich brauchte keine. Selbst wenn Serina merkte, dass ich sie beobachtete – was äußerst unwahrscheinlich war bei diesem abwesenden Blick –, würde sie sich nichts dabei denken. Sie hatte keine Ahnung, wer ich war. Sie hatte mich noch nie gesehen. Es gab keinen Grund für sie zu glauben, dass ich sie beobachtete. Sie würde nur einen irgendwie ungepflegt wirkenden Vierzigjährigen sehen, der in einem Bushäuschen saß und die vorbeifahrenden Autos beobachtete.
    Ich beobachtete, wie ihr Auto vorbeifuhr.
    Ich beobachtete sie.
    Serina Mayo.
    Sie hatte schwarz gefärbtes Haar, das sie nach hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug. Ihre Lippen waren schmal, die Augen stark geschminkt, der Mund zeigte einen dauerhaft mürrischen Ausdruck. Ihr Gesicht wirkte hart, finster und spröde, die Haut war von scharfen Linien durchzogen und rissig wie der Firnis auf einem alten, verstaubten Porträt. Es war das Gesicht einer ehemals schönen Frau, die zu früh zu viel Leid erfahren hatte.
    Das Auto fuhr vorbei und Serina war weg.
    Ich sah es vorbeifahren und Auspuffgase ausspucken. Am Ende der Straße wurde es langsamer, hatte eine kurzeFehlzündung, bog nach links ab und verschwand um die Ecke.
    Ich zündete eine Zigarette an.
    Serina Mayo …
    Die Mutter …
    1991, als sie achtzehn war, hatte sie ein Verhältnis mit meinem Vater gehabt. Mein Vater war damals siebenundvierzig gewesen. Im Februar 1992 schloss er sich zu Hause in seinem Arbeitszimmer ein, trank fast eine ganze Flasche Whisky leer und schoss sich danach in den Kopf.
    Die Tochter …
    Sie hieß Robyn.
    Sie ging jetzt die Straße hinunter und kämpfte gegen den Wind an – beugte den Kopf mit der Kapuze nach vorn, schlang die Arme um den Bauch, um die Jacke zusammenzuhalten, die keinen Reißverschluss hatte.
    Ich stand auf, zündete eine Zigarette an und folgte ihr.
    Es war gegen zehn Uhr morgens, auf den Straßen nichts los. Die Leute, die zur Arbeit mussten, waren fort, der Briefträger war schon durch, der Strom der Schüler vorbei. An einem Ort wie diesem würde bis mittags nicht mehr viel passieren.
    Ich überquerte die Straße, um im Vorbeigehen das Haus der Mayos ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen. Es war ein kleines Reihenhaus mit verblichenem, abblätterndem gelbem Anstrich und verwitterten, aufgeplatzten Fensterbänken. Es gab keinen Vorgarten, nicht mal einen Abstellplatz. Die Haustür lag direkt an der Straße. Also musste ich nur den Kopf drehen und durch das untere Fenster schauen, um direkt ins Wohnzimmer zu sehen. Wobei es dort nicht viel zu sehen gab – Sofa, Sessel, Fernseher, Bücherregale … gerahmte Seelandschaften an den Wänden. Es war einfach ein Wohnzimmer.
    Ich

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