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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Kevin Brooks
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auf, um aufs Klo zu gehen und eine Zigarette zu rauchen, und als ich am nächsten Morgen gegen acht Uhr aufwachte, war ich überrascht, dass der Höhepunkt des schwarzen Orts vorüber war. Gewöhnlich hält der Zustand mindestens ein paar Tage an, manchmal auch viel länger, und obwohl ich weit davon entfernt war, mich wieder okay zu fühlen – mir dröhnte der Schädel, die Muskeln schmerzten, die Augen waren starr von der Last der Depression –, wusste ich doch, dass es diesmal leichter ablief.
    Auch wenn er noch immer da war, der schwarze Ort.
    Ich spürte ihn in mir.
    Er war nur halb in sein Loch zurückgekrochen.
    Er war noch nicht fertig mit mir.
    Doch im Moment …
    Ich duschte und zog mich an, kochte mir eine Tasse Kaffee und trat auf den Balkon, um eine zu rauchen. Der Strand sah ungefähr so aus wie am Vortag – kalt und grau, der Himmel von einer Wolkenschicht überzogen, ein scharfer Wind wehte von See her. Der einzige Unterschied war, dass sich das Wasser nicht ganz so weit zurückgezogen hatte und ich die leichte Gischt erkennen konnte, mit der die flachen Wellen still über den schimmernden Schlick des Watts leckten.
    Es war Samstag.
    Der Strand war verlassen.
    Keine Menschen, die mit ihren Hunden unterwegs waren, keine Angler, niemand.
    Ich rauchte zu Ende, zog mir Schuhe an und machte mich auf, um zu frühstücken.
    Frühstück gab es in einem kleinen, dunkel getäfelten Raum im vorderen Teil des Hotels. Als ich eintrat, waren nur drei Tische besetzt. Ein schmuddeliger Typ in weitem Karohemd und zerschlissener Jeans schlürfte seinen Kaffee an einem Einzeltisch in der Nähe der Tür, ein älteres Ehepaar beugte sich in der Ecke schweigend über seine Porridge-Schalen und die amerikanische Familie – Vater, Mutter, Tochter – saß an dem Tisch nahe beim Fenster. Mutter und Vater tranken Orangensaft, während die Tochter mit ihrem Handy beschäftigt war. Ihr Daumen glitt blitzschnell über die Tasten.
    Alle drei schauten auf, als ich den Frühstücksraum betrat.
    »Hey«, sagte der Vater. »Wie geht’s heute?«
    »Danke der Nachfrage. Deutlich besser.«
    »Schön.«
    Ich lächelte ihm zu, nicht sicher, ob ich noch etwas sagen oder mich einfach an einen Tisch setzen sollte. Und wenn ich mich an einen Tisch setzte, sollte ich dann nett sein und mich in die Nähe der Amerikaner setzen oder tun, was ich normalerweise tat, mir also einen Platz so weit entfernt wie möglich suchen? Die Entscheidung wurde mir abgenommen, denn eine Kellnerin trat aus der Küche und fragte: »Einzeltisch?«
    Ich nickte.
    Sie deutete auf einen Tisch an der Wand, und bis ich mich hingesetzt, Spiegeleier, Toast, Kaffee bestellt und mir eine Zeitung vom Regal an der Wand genommen hatte, war ich für die amerikanische Familie vergessen. Sie machten sich bereit zum Aufbruch. Ich lehnte mich zurück und tat so, als ob ich Zeitung lesen würde, während ich in Wirklichkeitbeobachtete, wie sie ihre Jacken anzogen und ihre Sachen zusammenpackten. Sie hatten alle fast das Gleiche an wie am Vortag – die Eltern ihre roten Regencapes, das Mädchen ihr weißes Kapuzenshirt und die Daunenjacke – und nach der Menge der Dinge zu urteilen, die sie in diversen Taschen und Beuteln verstauten, hatten sie wohl vor, einen Tagesausflug zu machen. Die Mutter trug eine geräumige und offenbar ziemlich schwere Umhängetasche, der Vater hatte ein Taschenbuch in der Hand (Handbuch der englischen Küstenvögel) und eine äußerst teuer aussehende Kamera um den Hals und das Mädchen stopfte alle möglichen Gerätschaften in ihren kleinen schwarzen Rucksack – iPod, Ohrstöpsel, Kopfhörer, irgendeine Spielekonsole … Nintendo oder so was.
    Als sie den Tisch verließen und zur Tür gingen, schaute ich auf und lächelte ihnen wieder zu.
    »Meinen Sie, es gibt Regen?«, fragte der Vater.
    »Wahrscheinlich«, sagte ich und schaute aus dem Fenster.
    »Typisch englisches Wetter, was?«
    Ich nickte.
    »Na ja«, sagte er und schob seinen Vogelführer in die Tasche. »Ich fürchte, wenn man nach England fährt, weiß man, worauf man sich einlässt. Das Wetter gehört hier einfach mit zum Programm.«
    Ich nickte wieder. »Wohl wahr.«
    Er schaute auf, als die Kellnerin mit einem Teller Spiegelei auf Toast erschien. »Okay«, sagte er zu mir und trat beiseite, um ihr Platz zu machen. »Na, dann guten Appetit.«
    »Danke.«
    »Bis später.«
    »Ja.«
    Während die drei hinausmarschierten, stellte die Kellnerin den Teller vor mich hin. Sie war eine ziemlich
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