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Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Titel: Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
Autoren: Michael Robotham
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knetet die Vorderseite ihres Kleides in ihrer Faust zu einem Knäuel. Ihr Körper scheint zu krampfen.
    Sami huscht zum Fenster, späht zu einer Ecke der milchigen Scheibe hinaus. Eine Kugel durchlöchert den Rahmen neben seinem Kopf. Er springt zurück. Bleibt unten. Kriecht zu der Leiche und zieht die Halbautomatische aus Rays Gürtel. Er und Nadia kauern zusammen am Boden, atmen dieselbe Luft.
    »Bist du verletzt?«, fragt er.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Kannst du laufen?«
    Sie nickt.
    »Wir müssen hier raus.«
    »Es tut mir leid.«
    »Es gibt nichts, was dir leidtun müsste.«
    Sie zieht ihn am Arm, will, dass er zuhört. »Sie haben Dinge mit mir getan.«
    »Ich weiß. Es ist nicht mehr wichtig.«
    Sami will es nicht hören. Er will so tun, als wäre es nie geschehen.
    Nadia lässt ihn los und kriecht über den Boden zu Ray junior. Seine Haare sind zu kurz, als dass sie sie in ihrer Faust greifen könnte. Sie muss beide Hände benutzen, um seinen Kopf zu heben und auf den Boden zu schlagen. Das tut sie wieder und wieder.
    Sami muss ihre Finger loshaken und ihre Arme festhalten. Er kann ihren Rotz und ihre Tränen riechen.
    »Er hat mich vergewaltigt«, schluchzt Nadia.
    Sami sieht, wie ihre Augen sich von denen einer Frau in die eines Mädchens erweichen und vor Tränen glänzen. Er hat zu viel Angst, um sie zu berühren, aber er kann fühlen, wie ihm selbst die Tränen kommen – die, die er nicht für seine Mutter vergossen hat oder für seinen Vater. Bilder erfüllen seinen Kopf – von Ray junior mit heruntergelassenen Hosen, wie er zwischen ihren Beinen ist, in ihr Fleisch stößt, sich nicht um ihren Schmerz kümmert.
    »Das ist jetzt vorbei«, sagt er. »Wir müssen zusehen, dass wir hier rauskommen.«
    »Kannst du machen, dass es aufhört?«, fragt sie, zitternd. Kohlschwarze Flecken scheinen im Braun ihrer Augen zu schwimmen.
    Seine gebrochenen Rippen ignorierend drückt sich Sami an sie, spürt, wie ihr Herz schlägt. Es ist wie eine Uhr, die für sie beide die Sekunden zählt.
    Jemand kommt den Korridor entlang. Sami hält den Finger an die Lippen. Er bedeutet Nadia, sich zu verstecken. Im Schatten hinter der Tür kauernd wartet er darauf, dass sie aufschwingt. Er sieht Unterarme und ein Gewehr, bevor er sich mit der Schulter gegen das Holz wirft und sie zuschlägt. Dann greift er nach einem Brett und schwingt es fest auf den gestürzten Umriss. Schickt ihn ganz zu Boden, mit zitternden Beinen. Das Stück Holz mit den rostigen Nägeln bleibt im Rücken des Mannes stecken.
    Sami nimmt Nadias Hand, und sie laufen im Zickzack durch den Hauptflur zum zentralen Treppenaufgang. Rennen hinunter. Als er das Erdgeschoss erreicht, lässt etwas ihn innehalten.
    Der Haupteingang liegt rechts. Zwei, drei, vier Männer gehen den Durchgang entlang, verteilen sich, halten sich in den Türeingängen. Decken einander.
    Gewehrschrot sprüht an die Wand neben Samis rechten Arm. Er hört, wie noch eine Ladung Schrot eingelegt wird.
    Eine zweite Kugel aus einem anderen Winkel schlägt in das Krankenhausschild über Nadias Kopf ein, durchlöchert den Namen des onkologischen Facharztes. Plötzlich kommt das Gewehrfeuer in Salven, springt von den Wänden ab und vom Boden. Murphys Männer und Garzas Männer schießen von beiden Enden des Korridors aufeinander.
    Sami erklimmt die Stufen, geht denselben Weg zurück, den er gekommen ist, drängt Nadia weiter. Er muss seinen Arm um ihre Taille legen, damit sie nicht hinfällt. Schwefel und Kordit schweben nach oben durchs Treppenhaus. Sie bleibt stehen. Erbricht sich.
    Vielleicht könnte Sami ohne Nadia vor ihnen davonlaufen, aber er darf sie nicht noch einmal verlieren: So oder so, sie werden hier herauskommen. Auf dem Weg durch einen anderen Flur kommt er an den Räumen für die Ergotherapie vorbei. Er öffnet Türen, geht zu den Fenstern, sucht nach einem Ausweg. Er zertrümmert Scheiben, entfernt Splitter mit der Beretta vom Rahmen und lehnt sich hinaus auf der Suche nach einer Feuerleiter oder einem anderen Weg nach unten.
    Sami hält inne. Horcht.
    »Was ist?«, fragt sie.
    »Nichts.«
    »Sag’s mir.«
    »Jemand kommt.«
    »Das habe ich auch gedacht.«
    »Wir können ihnen nicht entkommen.«
    »Wir müssen weg.«
    »Können wir uns nicht hier verstecken?«
    »Sie werden uns finden.«
    »Geh du allein«, sagt Nadia und lehnt sich gegen eine Wand. Ihre Beine geben nach.
    »Nicht ohne dich.«
    Zurück im Korridor gehen sie durch Schwingtüren, und Sami klemmt ein Brett
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