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Die Bucht der schwarzen Perlen

Die Bucht der schwarzen Perlen

Titel: Die Bucht der schwarzen Perlen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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1.
    Das ist also deine Auffassung von Glück, dachte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Da liegst du nun auf den von der Tropensonne ausgebleichten Planken eines alten Motorkahns, um dich der Stille Ozean, und genießt die sogenannte Freiheit. Das hast du dir immer gewünscht, nicht wahr, du Spinner Ron Edwards, der einmal Rudolf Eduard Hamacher hieß, in Köln geboren wurde und es bis zum Abteilungsleiter einer großen Bank gebracht hat. Er war Abteilungsleiter für Kredite und Darlehen gewesen, hatte Lohnabrechnungen geprüft, Sicherheiten zusammengestellt, Konditionen ausgehandelt und Zinsfestschreibungen festgesetzt – bis ihn das alles anwiderte und er seine Kündigung einreichte.
    Bankdirektor Johannes Vielig von der Zentrale ließ ihn kommen, bot ihm Kaffee und eine Zigarette an und fragte dann ohne Einleitung: »Herr Hamacher, sind Sie verrückt geworden?«
    »Vielleicht.« Er hatte damals so selbstsicher gelächelt wie einer, der im Lotto Millionen gewonnen hat und nun keine Existenzangst mehr kennt. »Aber ich fühle mich jetzt, nach der Kündigung, sehr wohl …«
    »Noch habe ich nicht zugestimmt!« sagte Vielig mahnend.
    »Eine Formsache, denke ich.« Hamacher trank einen Schluck Kaffee. »Angenommen, Sie nehmen die Kündigung nicht an – was geschieht dann? Ich bleibe einfach weg – das ist alles. Darauf werfen Sie mich raus. Das Endergebnis ist also das gleiche: Kündigung. Nur etwas lautstärker, wo man doch alles so still regeln könnte.«
    »Warum wollen Sie uns verlassen, Hamacher?« Direktor Vielig steckte sich nervös eine Zigarre an. Er brauchte ein so intensives Raucherlebnis, vor allem wenn er erregt war. Seine Mitarbeiter sagten: Der Chef hält sich an der Zigarre fest. Und Vielig war jetzt sehr erregt, wenn er es auch zu verbergen suchte. Trotz angestrengten Nachdenkens hatte er keinen Grund gefunden, der Hamacher zu einer Kündigung veranlassen konnte. Hamacher war jetzt zweiunddreißig Jahre alt und hatte in der Bank eine schnelle Karriere gemacht. In diesem Alter schon Abteilungsleiter für Kreditwesen – das bewies Kompetenz und überdurchschnittliche Begabung.
    »Haben Sie ein besseres Angebot bekommen?« wollte Vielig wissen.
    »Von wem?«
    »Das gerade möchte ich von Ihnen hören. Nennen Sie mir keinen Namen, ich weiß, das wäre ein Vertrauensbruch, und den traue ich Ihnen wirklich nicht zu. Nennen Sie mir nur die Summe, die man Ihnen geboten hat. Das genügt mir schon.«
    »Es gibt kein Angebot, Herr Direktor.«
    »Was sonst hat Sie bewogen, so überraschend zu kündigen?«
    »Ich will weg, ganz einfach weg! Von der Bank, von dieser Stadt, von meinem bisherigen Leben …«
    »Aha! Ein Aussteiger!« Vielig räusperte sich, saugte an seiner Zigarre und blies eine mächtige Rauchwolke gegen die Decke. »Hat dieser idiotische Virus auch Sie erfaßt? Alles hinschmeißen und eventuell als Bananenpflücker in Honduras arbeiten … Das ist doch Blödsinn!«
    »Vielleicht.« Hamacher hatte seinen Vorgesetzten angelächelt. »Auch Bananenpflücker müssen sein … schade, wenn gerade die Banane im Obstsalat fehlen würde.«
    »Nun reden wir mal ernst, Hamacher.« Vielig hüllte sich wieder in dichte Rauchwolken. »Das sollten Sie noch gar nicht wissen, erst zum Jahresende, aber unter den gegebenen Umständen sage ich es jetzt schon: Im Mai wird der Direktorposten in der Filiale Euskirchen frei. Dafür hatte ich Sie ausersehen. Und nun setzen Sie mir den Stuhl vor die Tür! Hamacher, Mensch … Aussteigen ist doch ein Irrsinn! Hier sind Sie wer, haben eine sichere Position, sind eine geachtete Persönlichkeit … was wollen Sie denn noch mehr?«
    »Freiheit! Absolute Unabhängigkeit!«
    »Mein Gott, was verstehen Sie darunter? Sie leben in einer freiheitlichen Welt, in einem freien Staat, sind ein freier Mensch in einer musterhaften Demokratie …«
    »… aber ich habe über mir Sie, dann den Generaldirektor, dann die Bankenaufsichtsbehörde – überall muß ich buckeln.«
    »Ich habe noch nie etwas Derartiges von Ihnen verlangt!« sagte Vielig geradezu entsetzt. »Hamacher, ich glaube fast, Sie sind krank.«
    »Ja. Krank vor Sehnsucht nach der völligen Freiheit. Ich möchte morgen in Shanghai sein, zwei Tage später in Manila, nächste Woche am Strand von Waikiki liegen … kann ich das?«
    »Das ist doch nicht das wahre Leben! Das ist alles irreal!«
    »Für Millionen Menschen vielleicht, nicht für mich. Vielleicht bin ich wirklich verrückt, aber ich fühle mich wohl
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