Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
sorgen, dass auch Mama das erfährt. Deine weiße Weste ist völlig eingesaut, aber du spielst dich hier auf, als wärst du der Größte. Nee, mein Lieber! Du hast ausgespielt.«
    Karl hatte diesem Aufschrei fassungslos und widerspruchslos zugehört.
    Daher traf es ihn völlig unvorbereitet.
    Raffael stieß ihm das Messer in den Bauch.
    Karl brach zusammen.
    »Fahr zur Hölle«, sagte Raffael und lief aus der Küche.

63
    Christine schlief unruhig.
    Plötzlich schreckte sie hoch. Irgendetwas hatte fürchterlich gekracht. Eine Tür? Oder ein Fenster im Wind?
    Sie knipste die Nachttischlampe an. Karl war noch nicht im Bett. Vielleicht war er ins Bad gegangen, und die Tür war ihm aus der Hand gefallen. Jetzt im Sommer, wo auch nachts alle Fenster offen blieben, zog es ständig durchs Haus, und oft flogen die Türen schneller zu, als man es verhindern konnte.
    Es war sicher alles in Ordnung.
    Ihre Kopfschmerzen waren fast verschwunden. Sie drehte sich auf die Seite, schlang das leichte Laken eng um ihren Körper und versuchte wieder einzuschlafen, aber es gelang ihr nicht.
    Das hast du nun davon, wenn du so früh ins Bett gehst, jetzt liegst du die halbe Nacht wach, dachte sie. Eigentlich hatte sie gehofft, mal neun oder zehn Stunden richtig tief und fest durchzuschlafen, um endlich einmal wirklich erholt zu sein. Dies war ihr schon seit Wochen nicht mehr gelungen.
    Stella. – Und Raffael, der ihr unheimlich war, der ihr Angst einjagte und für den sie vergeblich ihre mütterlichen Gefühle suchte. Der einer jungen Frau die Kehle durchschnitt und hinterher nichts mehr davon wusste. Sie war im Schwebezustand, alles war aus den Fugen, ihre Sicherheit war dahin.
    Ihre Gedanken überschlugen sich, drehten sich im Kreis, die Szenarien ihrer Fantasien wurden immer schlimmer.
    Schließlich stand sie auf.
    Ich muss nach Stella sehen, dachte sie. Wenn ich weiß, dass mit ihr alles in Ordnung ist, bin ich beruhigt und kann sicher wieder einschlafen.
    Barfuß ging sie die Treppe hinunter zu Stellas Zimmer. Jetzt im Hochsommer waren die kühlen Steine des alten Gemäuers an den Füßen richtig angenehm.
    Sie öffnete die Tür.
    Das Licht des Flurs genügte, um das Zimmer schwach zu beleuchten, sie wollte die Deckenlampe nicht anschalten, um Stella nicht zu wecken.
    Ihr kleines Mädchen lag friedlich im Bett und schlief.
    Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr Christine, dann schloss sie leise die Tür und ging wieder hinauf in ihr Schlafzimmer.
    Raffael, der sich blitzschnell hinter der offenen Tür verborgen hatte, hatte sie nicht bemerkt.
    Als seine Mutter wieder zurück in ihr Zimmer ging, lächelte Raffael und setzte sich zu Stella ans Bett.

64
    Aber die Unruhe blieb.
    Sosehr sie auch versuchte, sich zu entspannen, sie konnte nicht einschlafen. Irgendetwas stimmte nicht.
    Wo war Karl? Warum war er noch nicht im Bett? Sie schaltete erneut die Nachttischlampe ein und sah auf die Uhr. Fast Mitternacht. Eigentlich noch gar nicht so spät. Raffael ging vor drei Uhr morgens nie ins Bett.
    Sie stand auf und sah aus dem Fenster. Im Hof war es dunkel und still. Nach dem Gewitter war niemand mehr nach draußen zurückgekehrt.
    Jetzt spürte sie auch, dass sich die Luft merklich abgekühlt hatte.
    Aber wo war Karl? Saß er im Wohnzimmer und las? Eigentlich war er ein Mensch, der nicht gern las, und wenn er es doch tat, schaffte er nie mehr als drei Seiten, dann schlief er. Der Fernseher war auch aus. Sie hätte ihn auf dem Weg zu Stellas Zimmer hören müssen. Und die Tür zum Bad stand offen. Daran erinnerte sie sich ganz genau. Das Bad war dunkel und leer gewesen.
    Karl saß wahrscheinlich noch mit Raffael in der Küche, und dort ertranken die beiden im Rotwein und fanden kein Ende.
    Sie hatte den ganzen Abend verpasst, und plötzlich hatte sie Lust, auch noch ein Glas Rotwein und mindestens einen halben Liter Wasser zu trinken. Denn erst jetzt spürte sie, wie durstig sie war. Ihr Hals war trocken, und sie hatte einen schlechten Geschmack im Mund.
    Christine zog ihren dünnen, seidigen Morgenmantel an und ging die Treppe hinunter in die Küche.
    »Karl?«, sagte sie fragend, als sie die Tür öffnete.
    Die Küche lag still und verlassen. Allerdings waren die Lampen über der Arbeitsplatte und dem Esstisch eingeschaltet.
    »Karl?«, fragte sie noch einmal.
    Statt einer Antwort hörte sie ein schwaches Röcheln.
    Instinktiv schaltete sie die Deckenbeleuchtung ein, die sie nicht ausstehen konnte, weil sie ihr viel zu hell war, lief in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher