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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos
Autoren: Sabine Thiesler
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ging sie hinauf, um noch einmal nach Stella zu sehen. Vielleicht war sie durch die Unruhe im Haus aufgewacht.
    Leise drückte sie die Klinke hinunter und öffnete die Tür.
    Wie schon beim ersten Mal erhellte der Lichtschein aus dem Flur das Zimmer notdürftig.
    Das Bett war leer.
    Stella war nicht mehr da.

65
    Raffaels Zimmer lag auf demselben Flur wie Stellas.
    Christine riss die Tür auf und schaltete das Licht an.
    Auch Raffaels Zimmer war leer, was sie überhaupt nicht verwunderte. Sie hatte es nicht anders erwartet: Raffael war mit Stella unterwegs. Mitten in der Nacht. Unmittelbar nachdem er seinen Vater niedergestochen hatte.
    Was hatte er vor?
    Sie überlegte fieberhaft, um keine Zeit dadurch zu verlieren, dass sie an den falschen Stellen suchte. Jetzt zählte jede Minute.
    Im Castelletto waren sie sicher nicht. Turm und Hof waren leer, und warum sollten sie nachts in den Weinkeller gehen oder sich in Paolas Appartement, dem einzigen, das nicht vermietet war, verstecken? Das machte keinen Sinn.
    Aber was machte es überhaupt für einen Sinn, wenn man ein kleines Mädchen nachts aus seinem Bett holte?
    Sie brauchte eine Taschenlampe. Die stärkste Taschenlampe, die sie im Haus hatten. Aber Taschenlampen waren ein Problem. Die mit Batterien waren immer schwach, die Solarlampen waren grell, funktionierten aber nur kurze Zeit, die Akkulampen waren immer leer, weil niemand daran dachte, sie aufzuladen.
    Aber ihr fiel ein, dass in Karls Auto noch eine nagelneue Stablampe lag, die er im Winter benötigte, wenn die Außenbeleuchtung des Castellettos ausgeschaltet war.
    Christine schob ihr Handy in die Hosentasche und rannte hinaus.
    In diesem Moment fiel ihr ein, dass Karls Wagen vielleicht gar nicht da war, wenn Raffael damit weggefahren war. Egal. Sie musste nachsehen.
    Aber beide Autos standen auf dem Parkplatz hinter dem Castelletto. Raffael war also mit Stella zu Fuß unterwegs.
    Mein Gott, was für ein Wahnsinn!
    Die große Stablampe fand sie auf Anhieb und fühlte sich damit gleich sicherer.
    Christine hielt inne und überlegte. Wo konnten die beiden sein? Wo konnte Raffael Stella hingebracht haben, und warum?
    Ihr fiel nichts ein. Absolut gar nichts. Es war alles so absurd.
    Er ist verrückt, wahnsinnig und gefährlich, dachte sie. Er hat Karl umbringen wollen, er ist wie im Rausch und wahrscheinlich vollkommen betrunken. Und er wird sich Stella sicher nicht geholt haben, um ihr Märchen vorzulesen.
    Sie spürte, dass schon wieder Panik in ihr hochkam. Vielleicht sollte sie die Carabinieri rufen! Ihre Tochter war mitten in der Nacht entführt und ihr Mann fast ermordet worden. Aber vor der Morgendämmerung würden sie nicht anfangen zu suchen. Das war viel zu spät.
    Und während sie dies alles überlegte, hatte sie gar nicht gemerkt, dass sie bereits lief. Am Pool vorbei und hinein in die Weinberge. Den Weg, den Karl immer benutzte, wenn er im Weinberg zu tun hatte, und es war auch der Weg, auf dem Raffael schon einmal mit Stella spazieren gegangen war. Jedenfalls hatte Stella das erzählt.
    Den kannte er also, und deshalb war es für ihn sicher leicht, sich dort in der Dunkelheit zu orientieren.
    Sie lief und lief. Die Angst um Stella gab ihr Kraft, Herz und Lunge brachten Höchstleistungen.
    Die Hütte wurde ihr erst bewusst, als sie urplötzlich davorstand. Ganz dunkel erinnerte sie sich. Ja, das war Siros Hütte. Als er noch lebte, hatten sich die Arbeiter während der Weinlese immer hier getroffen. Aber nach Siros Tod war die Hütte verwaist. Sie hatte sich nie dafür interessiert. Karl hatte ein paarmal den Versuch unternommen, die Hütte zu kaufen, aber er war an Siros heillos zerstrittenen Erben gescheitert. Also hatte sie die Hütte einfach vergessen.
    Sie leuchtete das kleine Haus ab. Im Inneren war alles dunkel. Natürlich war hier niemand. Wahrscheinlich war das Haus auch völlig verrammelt.
    Ohne irgendetwas zu erwarten, drückte sie eher gedankenlos auf die Klinke der Haustür, und die Tür ging auf.
    Christines Herz begann höher zu schlagen.
    »Hallo, ist da jemand?«, rief sie zaghaft und leuchtete durch den Flur, aber es blieb totenstill. Nur in den verholzten Rosmarinbüschen vor den Fenstern zirpten die Grillen.
    Sie drückte auf den Lichtschalter und traute ihren Augen kaum, als wahrhaftig Licht brannte. Irgendwer musste doch den Strom bezahlen? Und wie lange war Siro schon tot? Zwei Jahre? Drei Jahre? Sie erinnerte sich nicht.
    Die Stablampe schaltete sie jetzt aus, aber sie hielt sie
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