Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
Stirn. »Ich sag dir, der Typ ist krank! Also, ich hab mir noch nie ein Messer gekauft, aber ich würde sehen, ob es mir gefällt, ob es gut in der Hand liegt, ob es leicht oder schwer ist und ob der Preis stimmt. Mehr nicht. Aber er hat sich aufgeführt wie ein … wie ein …« Er suchte nach dem richtigen Wort.
    »Wie ein was? «, fragte Neri.
    »Wirklich wie einer, der schon mal richtig zugestochen hat.«
    »Ich glaube, jetzt übertreibst du.«
    »Vielleicht.« Gianni lachte. »Ich will auch nicht mehr daran denken. Ich wollte es dir nur erzählen, und ich hoffe, dass du diesmal recht hast und nicht ich.«

61
    Neri hatte durchgesetzt, dass er Vasco verhören konnte.
    Am nächsten Morgen um neun saßen sich die beiden in einem kargen Raum an einem kleinen Tisch gegenüber, und ein Sicherheitsbeamter stand an der Tür.
    Vasco hatte gerötete Augen.
    Neri hatte sich vorgenommen, außerordentlich freundlich zu Vasco zu sein, wie der gute Onkel, um ihm so viele Informationen wie möglich zu entlocken – falls es da überhaupt noch etwas zu entlocken gab.
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich unser Gespräch aufzeichne?«
    »Kann ich was dagegen haben?«
    »Nein.«
    »Also, was soll die Frage?«
    Das ging ja gut los, dachte Neri.
    »Und bitte duzen Sie mich nicht«, fügte Vasco noch hinzu.
    Das reichte. Wenn Vasco unbedingt wollte – er konnte auch anders. Wenn er mit dieser Tour anfing, konnte sich Neri seine Freundlichkeit auch verkneifen.
    »Hast du Paola umgebracht? Entschuldigung. Haben Sie Paola umgebracht?«
    So eine gestelzte Sprache war Neri überhaupt nicht ge wohnt, und es machte ihn wütend. In Ambra duzten sich alle.
    »Nein. Ich bin unschuldig.«
    »Natürlich. Das dachte ich mir.«
    »Warum haben Sie mich verhaftet? Ich weiß nicht, warum Paola verschwunden ist.«
    »Lieber Freund.« Neri holte tief Luft. »Sie hatten mit Ihrer Freundin einen heftigen Streit, weil sie zu viel arbeitet. Va bene?«
    »Ja.«
    »Obwohl sie ja mehr verdient, wenn sie mehr arbeitet. Stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Aber das war Ihnen egal?«
    »Ja.«
    »Gut. Sie streiten sich mit ihr, und Sie schlagen sie. Richtig?«
    »Ja.«
    »Sie besaufen sich hemmungslos, und am nächsten Morgen ist Paola verschwunden. So weit stimmt alles?«
    »Ja.«
    »Neigen Sie zu Gewalttätigkeiten?«
    »Nein.«
    »Ach was!« Neri genoss den Spott in seiner Stimme. »Mit Arno Montieri haben Sie sich 2006 derart geprügelt, dass Sie beide ins Krankenhaus kamen. Er hatte zwei Rippenbrüche, und Ihnen fehlten drei Zähne.«
    »Er hat angefangen.«
    »Natürlich. Als Sie sich über eine Predigt aufregten, haben Sie in der Kirche von Rappale vor Wut mit einem Kerzenständer ein Kirchenfenster zerschlagen, und den Wagen des Bäckers von Ambra haben Sie den Berg runterrollen lassen, wo er fünf Meter tiefer zerschellte, weil in dessen Weißbrot ständig handgroße Löcher waren. Richtig oder falsch?«
    »Warum haben Sie diese uralten Kamellen ausgegraben?«
    Neri reagierte nicht auf die Frage. »Richtig oder falsch?«
    »Richtig.«
    »Aha. Also sind Sie nicht wirklich ein Unschuldslamm und lösen Probleme gern schon mal mit der Faust.«
    Vasco zuckte die Achseln.
    »Ich fasse also zusammen: Sie streiten sich mit Ihrer Freundin, schlagen sie krankenhausreif, sie schleppt sich in ihr Zimmer, packt das Nötigste in einen Koffer, Sie betrinken sich gerade, merken aber dennoch, dass sie versucht abzuhauen. Sie rennen ihr hinterher, können es verhindern, dass sie wegfährt, aber ihren Koffer hat sie schon im Auto. Sie zerren sie zurück ins Haus, prügeln sie grün und blau, sie wehrt sich, beschimpft Sie, und schließlich schlagen Sie sie tot. Oder erstechen sie. Oder was weiß ich. Denn woher kommen sonst Paolas Blutspuren in eure Wohnung? War es so?«
    »Nein. Ich hab mich mit ihr gestritten, sie ist ins Bett gegangen, und am nächsten Morgen war sie weg. Mehr weiß ich nicht.«
    Mammamia, war das ein sturer Hund. Neri wünschte sich mal ein richtig schönes, wasserdichtes Geständnis, das er raffiniert herausgekitzelt hatte, aber das war bei diesem Kerl nicht zu erwarten. Er wusste nicht, wie er weitermachen sollte, als Vasco fragte: »Und wo und wie hab ich Ihrer Meinung nach die Leiche entsorgt?«
    »Das frage ich dich«, sagte Neri und grinste. »Scusami für das Du, aber Männer, die ihre Frauen umbringen, kann ich einfach nicht siezen.«
    Vasco brach innerlich zusammen.

62
    Stella war ein liebes, aber eigenwilliges Kind. Sie hatte ihren eigenen Kopf, war ab
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher