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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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In der Kanzel des Flugzeugs war es fast dunkel. Nur die schwache Beleuchtung der vielen Uhren, Meßinstrumente, Tachometer und Kontroll-Lampen warf einen fahlen, geisterhaften Lichtschein über die Gesichter der beiden Piloten. Vor den gebogenen Fenstern wischten die Scheibenwischer in eintönigem Rhythmus hin und her, der Regen prasselte gegen die Scheiben, aber jeder Laut von außen ging unter in dem gleichmäßigen Brummen der vier Motoren unter den weit ausladenden Flügeln.
    Chefpilot Werner Pohlmann sah kurz hinüber zu Copilot und Funker Paul Andresen und überflog dann die Kontrolluhren. Auf dem Radarschirm geisterte schwach ein flimmernder Finger. Der Flugplatz von Ankara meldete sich.
    Paul Andresen nickte zurück und drückte auf die Taste Sendung.
    »Hier XA-19-XA-19-XA-19, Flug 27. Alles okay, Jungs. Flughöhe 6.400 Meter. Wetter schlecht. Regenfront. Stellen um auf Blindflug. Bitte Einweisung …« Und dann, nach einer Pause, sagte Andresen: »Abdul, bist du's? Grüß dich, alter Junge. In einer Stunde landen wir auf deiner mistigen Piste! Ich soll dich übrigens grüßen von Bjodera, dem süßen Püppchen aus dem ›Transatlantik-Club‹ in Teheran. Ende.«
    Werner Pohlmann lächelte und beobachtete Radarschirm und Navigationsinstrumente. »Privatgespräche sind während des Fluges verboten, Paul!« sagte er. »Du lernst es nie! Das kann dir die fünfte Verwarnung einbringen.«
    »Scheiß was drauf!« Paul Andresen lehnte sich zurück und sah hinaus in die Nacht. Der Regen peitschte gegen die Fenster, Wolkenfetzen trieben an ihnen vorüber, die Schwärze war undurchdringlich. Eine scheußliche Nacht. »Sieh dir bloß das Barometer an, Werner. Es fällt wie ein k.o.-geschlagener Boxer. Wenn das stimmt, sitzen wir mitten im Auge eines Taifuns. Und das ist Blödsinn. Hier gibt's keine Taifune. Haste schon mal 'n Barometer gesehen, das funktioniert?«
    Chefpilot Pohlmann starrte auf die kleine, runde, erleuchtete Scheibe des Instruments. Der schwarze Zeiger zitterte unaufhaltsam nach links. Der Luftdruck fiel und fiel. Pohlmann schüttelte den Kopf. Die Maschine flog ruhig durch das Gewitter, sie sackte weder ab, noch wurde sie von groben Winden geschüttelt. »Wir sollten ausweichen«, sagte er und beobachtete den Radarstrahl, auf dem sie flogen und der sie sicher nach Ankara leitete. »Ruf noch mal Abdul an und sag ihm, daß wir versuchen werden, dem merkwürdigen Wetter auszuweichen –«
    »Quatsch!« Andresen bückte sich, nahm eine Schachtel mit Keksen vom Boden und begann zu knabbern. »Das gibt in Ankara großes Geschrei, und außerdem, wo willste hin? Rauf oder runter, und im Bogen über Persien? Das Barometer dreht durch, und dem Mechaniker in Karatschi werde ich nächste Woche dreimal in den Hintern treten! Der hat zuletzt kontrolliert!«
    Chefpilot Pohlmann schwieg. Die Maschine schwankte etwas. Wie das Wiegen eines Schiffes auf normaler See war es, nicht unangenehm und doch für Pohlmann das Zeichen, daß außerhalb der Maschine ein heftiger Sturm tobte. Der Windmesser zeigte Stärke 7 an, aber das paßte wiederum gar nicht zu dem unverständlichen Tief des Barometers.
    »Frag mal an, was für Wetter die in Ankara haben«, sagte Pohlmann. Andresen nickte, klemmte das Mikrofon wieder an den Mund und suchte die Wellenlänge von Ankara.
    In dem langen Rumpf des Flugzeuges war es geisterhaft still. Die Passagiere schliefen auf zurückgeklappten Polstersesseln, die Köpfe in die weißen Daunenkissen gedrückt. Nur ein Herr, ein Inder, saß ganz hinten allein neben einer schwachen Leselampe und las in einem Buch.
    Im Wachraum mixte Bettina Wolter einen Cocktail. Sie hatte heute Nachtdienst. Die zweite Stewardeß, Irene Heidfeld, schlief in einer Nebenkoje. In seinem Raum neben dem Gepäckraum lag Chefsteward Uwe Peters ebenfalls in tiefem Schlaf.
    Bettina sah auf die elektrische Uhr über der kleinen weißen Anrichte. 3 Uhr morgens war es jetzt. Um 4 Uhr würde Zwischenlandung in Ankara sein. Ausladen der Postsäcke und einiger Kisten. Kein Passagier. 4.20 Uhr ging es weiter nach Istanbul. In der Morgensonne würde dann die herrliche Stadt auftauchen, wie mit Gold übergossen. Die Hagia Sofia, das Goldene Horn, die wie betende Finger zum Himmel gestreckten schlanken Minarette der vielen Moscheen, das Gewimmel der Altstadt, der Lärm und scharfe Geruch des Bazars, die eleganten Straßen der Neustadt, die Hotelpaläste am Bosporus, und über allem ein Flimmern aus Gold und Blau – eine wahrgewordene
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