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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos
Autoren: Sabine Thiesler
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die Mitte der Küche – und da sah sie ihn zwischen Esstisch und Herd auf dem Boden liegen. Auf der Seite und gekrümmt. Vor seinem Bauch eine Blutlache.
    Sie fiel vor ihm auf die Knie und nahm seinen Kopf in beide Hände. »Karl! Hörst du mich? Sag was!«
    Vorsichtig drehte sie ihn auf den Rücken und zog sein T-Shirt hoch. Den Einstich sah sie ganz deutlich. Raffael, dachte sie augenblicklich. Er hat versucht, ihn umzubringen.
    Sie beugte sich über ihn, versuchte seinen Puls zu fühlen, aber ihre Hände zitterten so stark, dass sie nichts spürte.
    »Karl, Liebster, lebst du noch?«, schluchzte sie. Dann legte sie ihr Gesicht nahe an seins, war mit ihrer Nase direkt an seiner, und dabei spürte sie einen ganz schwachen Luftzug.
    Er lebt noch, dachte sie, Hilfe, was mach ich jetzt?
    Panik erfasste sie, und sie konnte nicht mehr klar denken. Ich darf jetzt keinen Fehler machen, sonst stirbt er, bitte, lieber Gott, rette ihn, lass ihn hier nicht sterben, bitte, bitte nicht! Wo ist das Handy? Wo, um Himmels willen, ist mein Handy?
    Sie sah flüchtig über den Küchentisch. Dort standen leere Rotweingläser und eine fast leere Flasche, aber kein Handy. Auf dem Küchenschrank, wo sie normalerweise Handys oder Schlüssel ablegten, wenn sie hereinkamen, lag auch nichts.
    Oh Gott, ich brauche ein Handy! Aber Karls Handy war immer irgendwo. Er ließ es überall herumliegen und suchte es ständig, in der Hosentasche hatte er es fast nie. Sie durfte jetzt keine Zeit verlieren. Wahrscheinlich war ihr Handy oben im Turm in der Jeans.
    So schnell sie konnte, rannte sie die Treppe hinauf. Oben angekommen, überschlug sich ihr Atem, ihre Lunge fühlte sich an, als würde sie sich in ihrem Brustkorb einmal um sich selbst drehen, aber sie versuchte es zu ignorieren und suchte ihr Handy.
    Da, endlich! Es war in der Jeans.
    In ihren Schläfen pochte es. 118 dachte sie, das ist die Rettung. Oder 112, die Polizei.
    Als Erstes wählte sie 118. »Bitte kommen Sie schnell!«, schrie sie ins Telefon, als sich die gelangweilte Stimme eines Menschen, der sicher nur ungern geweckt worden war, meldete. »Castelletto Sovrano. Nahe San Rocco. Mein Mann ist niedergestochen worden. Er hat viel Blut verloren, er blutet! Bitte kommen Sie schnell, beeilen Sie sich!«
    »Atmet er noch?«, fragte die Stimme.
    »Ja, schwach. Ich habe Angst, dass er stirbt!« Sie konnte das Handy kaum am Ohr halten, so zitterte sie.
    »Castelletto Sovrano?«
    »Ja! Mein Gott, wir haben keine Zeit!«
    »Wann ist Ihr Mann verletzt worden?«
    »Ich weiß es nicht!«, heulte Christine. »Ich habe geschlafen und ihn eben erst gefunden!«
    »Wenn es geht, versuchen Sie die Blutung zu stoppen. Legen Sie einen Druckverband an. Wenn die Stiche im Bauch sind, drücken Sie ein sauberes Handtuch in die Wunde. Wir sind unterwegs.« Er legte auf.
    Christine zog sich Jeans und T-Shirt an und rannte zurück in die Küche.
    Sie betrachtete die Wunde und bildete sich ein, dass kein frisches Blut austrat, aber das konnte natürlich auch bedeuten, dass der Bauchraum volllief.
    »Kannst du mich hören, Liebster? Sag doch was! Bitte, sag was!«
    Karl rührte sich nicht. Er röchelte auch nicht mehr.
    »Halt durch!«, flüsterte sie. »Die Ambulanza ist unterwegs. Sie müssen gleich hier sein, sie geben dir eine Infusion und bringen dich ins Krankenhaus, und dann ist alles wieder gut.«
    Seine Hand war kalt. Sie wärmte sie zwischen ihren Händen und streichelte sie.
    »Es wird alles wieder gut. Ganz bestimmt. Du musst nur daran glauben. Verlass mich nicht, Karl, bitte, ich liebe dich doch so sehr.«
    Und dann weinte sie, bis die Männer vom Rettungsdienst in den Hof gefahren kamen.
    Sie untersuchten Karl in Windeseile. »Sein Puls ist schwach, aber vielleicht schafft er es«, sagte der Sanitäter, während ihm der Notarzt einen Venenzugang legte und ihn an den Tropf hängte.
    »Wir bringen ihn nach Siena«, sagte der Arzt. »Kommen Sie mit?«
    »Nein. Ich kann meine Tochter nicht allein lassen. Ich komme morgen früh. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie etwas wissen.«
    Der Arzt nickte.
    Auf einer Trage transportierten sie Karl die Treppe hinunter, schoben ihn in den Wagen der Ambulanz und fuhren ohne Martinshorn, aber mit eingeschaltetem Blinklicht davon.
    Er wird es schaffen, dachte Christine. Er ist stark, und er will leben. Und ich schwöre, dass ich mich nie mehr, in diesem ganzen Leben nie, nie, nie mehr mit ihm streiten werde.
    Ihr schossen schon wieder die Tränen in die Augen.
    Dann
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