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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Verlust. Sie besaßen kein Geld, um sich neue leisten zu können. Es reichte nicht einmal für Laken aus zweiter Hand, wie sie in den vielen muffigen Läden mit gebrauchten Waren aller Art überall im Viertel angeboten wurden. Läden, die zum großen Teil von Hehlern betrieben wurden.
    »Ich habe versucht, wach zu bleiben!«, stieß Daniel schluchzend hervor. »Ich dachte… ich würde es schaffen… Aber dann...«
    »Faule Ausreden!«, fuhr der Vater ihm über den Mund. »Du hast versagt und uns um unsere Bettlaken gebracht! Nichts, was du anfasst, machst du richtig! Und du willst mein Sohn sein?« Er schnaubte verächtlich. »Eine Schande bist du!«
    Daniel schluchzte noch lauter in die fadenscheinige Schürze der Mutter.
    »Hör auf der Stelle mit dem weibischen Geheule auf, sonst gebe ich dir wirklich Grund dazu!« Der Vater packte Daniel am Arm und riss ihn mit brutaler Gewalt aus der schützenden Umarmung der Mutter.
    In Becky krampfte sich alles zusammen, als sie das angsterfüllte Gesicht ihres kleinen Bruders sah. Sie wünschte, sie könnte für ihn einstehen und ihn vor dem Zorn des Vaters schützen. Daniel, der nicht wie sie das widerspenstige kastanienbraune Haar der Mutter, sondern das herrlich schwarze, lockige Haar des Vaters geerbt hatte, war noch so klein und schmächtig, und für seine acht Jahre mühte er sich wirklich sehr, auch ein wenig Geld nach Hause zu bringen, damit ihre Not nicht noch größer wurde. Eine Schule hatten sie beide schon seit einem guten Jahr nicht mehr betreten. Aber in dieser Situation konnte, ja durfte sie nichts für ihn tun, wenn sie nicht wollte, dass der Vater noch mehr in Rage geriet und dabei die Kontrolle über sich verlor. Wenn das geschah, nahmen sich die paar Schläge mit dem Gürtel ausgesprochen harmlos aus. Und so biss sich Becky auf die Lippen, um nicht etwas Unvernünftiges zu sagen oder zu tun.
    »Aufhören zu heulen, habe ich gesagt!«, fuhr der Vater Daniel an und gab ihm eine schallende Ohrfeige, dass sich die Finger seiner Hand auf der Wange abzeichneten.
    Tapfer presste Daniel den Mund zusammen, um das Aufschluchzen zu unterdrücken. Doch seine Lippen bebten immer noch.
    »Und jetzt gib das Geld her, das du noch nicht bei deiner Mutter abgeliefert hast!«, forderte ihn der Vater auf.
    Daniels Schultern zuckten, als er in die Tasche griff und dem Vater einen Shilling und drei Cent aushändigte.
    »Und jetzt geh mir aus den Augen! Na los, mach schon! Verschwinde!« Mit diesen Worten jagte der Vater ihn aus der Wohnung. Und als Daniel hinaus ins Treppenhaus rannte, schrie er ihm noch nach: »Und wage dich nicht eher nach Hause, bis du Ersatz für die beiden Bettlaken besorgt hast! Wie du das anstellst, soll mir egal sein! Zwei Bettlaken! Sonst kannst du sehen, wo du bleibst, hast du verstanden?«
    »Um Gottes willen, Frederik! Das kannst du doch nicht machen!«, rief die Mutter bestürzt. »Du versündigst dich! Der Junge ist doch erst...«
    »Erzähl du mir nicht, was ich machen kann und was nicht!«, fuhr der Vater sie an. »Er muss die Strafe bekommen, die er verdient! Nur so lernt er. Schlimm genug, dass du ihn verziehst und verhätschelst! Ich jedenfalls lasse nicht zu, dass mein Sohn ohne das rechte Pflichtgefühl heranwächst!«
    »Frederik, ich verstehe deinen Ärger ja, und es ist auch richtig, dass Daniel Strafe verdient...«, begann die Mutter besänftigend.
    Der Vater ließ sie jedoch auch diesmal nicht ausreden. »Gut, dann sind wir ja einer Meinung. Und jetzt will ich wissen, wie viele Hemden ihr für Missis Greeley fertig habt!«
    Hilfe suchend sah sich die Mutter zu ihrer Tochter um. »Wie viele Hemden?... Ja, also... ich meine... so genau...«, begann sie stammelnd.
    »Wir liefern doch immer am Samstag bei Missis Greeley ab und heute ist erst Donnerstag«, sprang Becky ihr rasch zur Seite.
    »Ihr sollt mir eine klare Antwort geben und mir nicht mit dümmlichem Gerede kommen, verdammt noch mal!«, donnerte der Vater. »Ich weiß, dass wir Donnerstag haben, und ich weiß auch, dass ihr die Hemden gewöhnlich am Samstag zu Missis Greeley bringt! Haltet ihr mich vielleicht für auf den Kopf gefallen? Also, noch einmal: Wie viele Hemden sind fertig?«
    Die Mutter seufzte resigniert: »Es müssen neunundzwanzig sein.«
    Ein grimmig zufriedenes Lächeln huschte kurz über das Gesicht des Vaters. »Packt sie zusammen. Die Greeleys nehmen jeden Tag fertige Ware an! Und du, Becky, bringst sie zu ihnen!«, befahl er.
    »Frederik, wir brauchen das
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