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Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht
Autoren: Dirk van den Boom
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    »Dieser Plan ist totale Scheiße!«
    In Robys Kopf hallte dieser Satz wider, als er sich neben Slap an die kalte Mauer drückte. Slap stand näher an der Einmündung der Gasse zur beleuchteten Hauptstraße. Es war still, zwei Uhr morgens, und nur gelegentlich torkelte ein Stadtstreicher unter den Laternen entlang.
    Gut ausgeleuchtet war das Gebäude von Big, dem Hehler. Nach vorne hin sah es wie ein beliebiges Pfandhaus aus, aber jeder wusste, dass Big in den ganz großen Geschäften seine Finger mit drinstecken hatte. Daher sein Name. Rein körperlich war er ein schmächtiges Männchen.
    Seine Jungs waren besser ausgestattet. Roby war dagegen gewesen, Bigs Lager auszuräumen, doch außer Slap hatte sich niemand auf seine Seite gestellt. Der Bande ging es in letzter Zeit nicht gut. Das Essen wurde knapp. Sie mussten ein größeres Ding drehen. Das aber war zu groß.
    Alles beruhte auf der Zusicherung von Tiny, dass er die elektronischen Alarmeinrichtungen weghacken konnte. Der kaum 13-jährige Junge, der mit seinem abgegriffenen und fleckigen Notionink Adam XII förmlich verwachsen schien , war bestimmt ein Genie oder wurde zumindest dafür gehalten . Er schnüffelte aber auch Industrielösungsmittel, und das reichlich. Roby würde ihm nicht einmal glauben, dass er Tiny hieß. Aber der Rest war verzweifelt genug gewesen, um auf die beständigen Zusicherungen des Hackers reinzufallen.
    Erst hatte Slap das machen sollen. Slap war ein guter Hacker, er war der beste. Aber er hatte noch andere Talente, und so war er mit einer Aufgabe betraut worden, die Tiny überforderte. Slap war darüber genauso wenig erfreut gewesen wie Roby.
    Der Plan blieb totale Scheiße, man konnte es drehen und wenden, wie man wollte.
    »Die Jungs sind bereit«, flüsterte es in Robys rechtem Ohr. Auch Slap vor ihm hielt sich unwillkürlich den winzigen Empfänger in seiner Ohrmuschel. Slap war clever. Er war schnell und er wusste, wenn es abzuhauen galt. Roby würde sich an Slap halten. Es gab keine bessere Versicherung.
    Siebzehn einsatzbereite Mitglieder hatte die Bande. Der Chef war Torque, ein großer, stämmiger Typ mit einer ganz üblen Narbe, die er sich aber nicht im Kampf, sondern von einer betrogenen Freundin geholt hatte. War keine gute Idee, ihn daran zu erinnern. Torques Position stand auf dem Spiel. Ginge das hier in die Hose und entkämen genug von ihnen dem Desaster, würde jemand Torque herausfordern. Roby betrachtete die sehnige Gestalt vor ihm, den sprungbereiten Slap. Der hieß nicht umsonst so. Vielleicht würde Slap die Herausforderung aussprechen. Das wäre nicht das schlechteste Ende dieser verrückten Aktion.
    »Ich hab’s«, flüsterte die kratzige Stimme Tinys in seinem Ohr. Trockenes Husten folgte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er Klebstoff geschnüffelt hatte. Roby fühlte sich schlecht. Das konnte nicht klappen.
    »Los!«, kam Torques befehlsgewohnte Stimme. Aber halt – war da ein winziges, unsicheres Zittern in seinem Befehl gewesen? Konnte an der schlechten Verbindung des antiken Funknetzwerkes liegen. Roby wischte den Gedanken beiseite. War eh zu spät.
    Slap sprang auf, huschte über die Straße. Aus anderen Richtungen weitere Jungs. Schnell und geübt, das waren sie. Wer hier aufgewachsen war, wusste, wie er sich zu bewegen hatte. Dann waren sie in der dunklen Gasse neben dem Leihhaus. Die Nebentür. Roby fasste Mut. Das warnende Blinklicht der Alarmanlage war aus.
    »Der kleine Arsch hat es tatsächlich hingekriegt«, murmelte Slap vor ihm. Er war als Erster an der Tür, schob den elektronischen Dietrich in den Eingabeschlitz. Erneut Tinys Arbeit. Es klickte, die metallene Tür schwang auf. Keine Sirenen, keine heranstürmenden Helferlein des Hehlers. So weit, so gut.
    »Slap, Roby, Chink – Ihr geht rein, der Rest steht Schmiere«, kam Torques Befehl, diesmal mit mehr Sicherheit und Siegesgewissheit. Niemand diskutierte. Egal, wie gut oder schlecht Tinys Vorbereitungen auch waren, das musste jetzt schnell gehen.
    Slap ging zuerst.
    Slap ging immer zuerst.
    Es war dunkel hinter der Tür, doch sie alle trugen kleine Infrarotlampen. Zusammen mit den billigen Nachtsichtbrillen aus Armeebeständen konnten sie genug sehen, um sich zu orientieren. Die Ausrüstung stammte aus den guten Zeiten der Bande, als die Magazine noch nicht so stark bewacht worden waren. Musste zwanzig Jahre her sein, in der Generation vor ihnen. Waren alle tot oder eingezogen mittlerweile.
    Die meisten tot.
    Chink war ein
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