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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Auswandererschiffes Prinz von Preußen in New York von Bord gegangen waren und sogleich diesen Unterschlupf in Five Points gefunden hatten. Hier wollten die Eltern einen neuen Anfang machen, nachdem die politischen Unruhen der gescheiterten Revolution von 1848, vor allem aber die Hungersnot auf dem Land sie über den Atlantik in die gelobte Neue Welt Amerikas getrieben hatten. Großartige Hoffnungen und ehrgeizige Pläne hatten die Eltern gehabt! Und wie stolz sie alle am Tag ihrer Ankunft im New Yorker Hafen auf ihren neuen, englischen Namen gewesen waren, den ihnen der ruppige Mann von der Einwanderungsbehörde ohne langes Nachfragen verpasst hatte. Denn als der Vater auf die Frage, wie er denn heiße, respektvoll mit »Friedrich Braun, aus dem Rheinischen!« geantwortet hatte, hatte der Beamte auf das Einwanderungsdokument kurzerhand »Frederik Brown« geschrieben, ihm das Papier in die Hand gedrückt und die nächste Familie aufgerufen. Und natürlich war dann aus ihrem Vornamen Rebekka im Viertel schnell Becky geworden. Nur die Mutter, die schon in Deutschland stets nur Lena und nicht Magdalena gerufen worden war, sowie Daniel hatten sich nicht an einen veränderten Vornamen gewöhnen müssen. Aber wie unendlich weit schien das schon zurückzuliegen!
    Grob stieß der Vater die Tür auf, die vom Etagenflur direkt in die Küche führte. Ohne ein Wort des Grußes trat er an den Herd, wo der blecherne Wasserkübel stand, griff zur Schöpfkelle und trank. Die Hälfte spie er sofort angewidert wieder aus.
    »Pfui Teufel, was für eine pisswarme Brühe! Ich hätte mir ja denken können, dass sich keiner die Mühe gemacht hat, frisches Wasser hochzuholen!«, schimpfte er voller Ingrimm.
    »So früh haben wir noch nicht mit dir gerechnet, Frederik«, sagte die Mutter entschuldigend. »Ich wäre sonst ganz bestimmt...«
    »Ich bin aber jetzt schon zurück!«, fiel er ihr ins Wort. »Oder muss ich vielleicht erst deine Erlaubnis einholen, wann ich zurückkommen darf?«
    »Nein, natürlich nicht!«
    »Da bin ich aber erleichtert!«, höhnte er.
    »Hast du denn wenigstens für ein paar Stunden Arbeit gefunden, Frederik?«, fragte die Mutter wider besseres Wissen hoffnungsvoll und zwang ein gequältes Lächeln auf ihr schweißglänzendes Gesicht, das mit jedem Monat schmaler und von tieferen Linien durchzogen wurde.
    »Nein, habe ich nicht!«, gab er kurz angebunden zur Antwort. Und dann fragte er herrisch und ohne jeden Übergang: »Wo ist das Geld?«
    »Was für Geld?«, fragte die Mutter zurück.
    »Das du vor mir versteckst!«
    »Ich habe kein Geld!«, beteuerte die Mutter hastig und mit einem ängstlichen Aufflackern in den Augen. »Und schon gar kein Geld, das ich vor dir verstecke!«
    »Du lügst!«, schrie der Vater, schleuderte die Kelle in den Wasserkübel und machte einen drohenden Schritt auf sie zu. »Ich weiß ganz genau, dass du irgendwo Geld versteckt hältst!«
    »Frederik, bitte! Sei vernünftig!«, flehte die Mutter. »Du weißt doch selbst, wie schlecht es uns geht, seit du keine feste Arbeit mehr hast!«
    »Jetzt ist es also meine Schuld, dass ich mir die Knochen gebrochen habe, weil dieser Verbrecher von einem Bauunternehmer sich einen Dreck um die Sicherheit gekümmert und an allen Ecken und Enden wichtige Stützstreben eingespart hat, ja?«, brauste der Vater auf.
    »Um Gottes willen, nein!«, wehrte die Mutter ab. »Natürlich trifft dich keine Schuld, Frederik! Ich meinte ja nur, dass du doch wegen deiner Behinderung so schlecht Arbeit bekommst. Wir...«
    »Andere Männer, die keine Behinderung haben und stark wie Ochsen sind, finden auch keine Arbeit!«, fiel er ihr ins Wort. »Und ich sorge schon dafür, dass niemand etwas davon merkt, wenn ich Schmerzen habe!«
    Der Vater suchte den Streit, das sah Becky ihm geradezu an. Schon wie er die Augen zusammenpresste und das Kinn vorstreckte, machte jede Hoffnung auf Milde zunichte.
    »Mach mir doch nichts vor!«, blaffte er los. »Mich hältst du nicht zum Narren! Ich weiß ganz genau, dass du hier einen Cent und dort einen Cent abknapst und irgendwo verschwinden lässt. Und ich will, dass du dieses Geld jetzt herausrückst. Wenigstens einen halben Dollar! Nun mach schon oder es wird dir Leid tun!«
    Becky spürte ihr Herz rasen. Sie fürchtete sich vor dem, was der Vater gleich tun würde, wenn er das Geld nicht bekam, um seine Schmerzen und die Trostlosigkeit seines Lebens in der nächsten Taverne oder einem dieser finsteren Grog-Shops ersäufen zu
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