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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer
Autoren: Thomas Peter
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geführt.
    Charly bat Helmuth, seine Frau anzurufen und sie noch einmal zu dem Nachmittag im Seniorenheim zu befragen.
    Also setzte der sich ans Telefon und wählte die Nummer von zu Hause. »Hallo Sternchen, … nein, dauert noch ein bisschen … ja, ich dich auch …«
    Sandra und Charly trauten ihren Ohren nicht. Die flucherprobte Stimme klang plötzlich wie das Surren eines Sechszylinders auf der Autobahn. Beide mussten ein spontanes Lachen unterdrücken und grinsten nur in sich hinein.
    »Ja, das glaub ich dir … bei mir auch … Du, ich ruf an wegen … wie, heute? … ja, ich freu mich auch … Mäuschen, warum ich anr … doch, doch, sehr gern …«
    Das Gespräch zog sich ein wenig in die Länge. Am Schluss stand jedoch fest, dass Frau Berthold ehrenamtlich jeden Samstagnachmittag die Heimbewohner umsorgte und daher natürlich niemand kontrollierte, wann und wie lange sie da war. Und auch wenn sie dazwischen mal eine halbe oder dreiviertel Stunde fehlte, fiel das niemandem auf, wenn sie nicht gerade mitten in einer Mensch-ärger-Dich-nicht-Partie verschwand. Das Einzige, was Frau Reithl mit Bestimmtheit sagen konnte, war, dass Frau Berthold an dem betreffenden Samstag wie immer mit dem Rad gekommen war.
     
    Gerade, als Helmuth seinen Bericht beendete, polterte Garn ins Büro.
    »Und, wie schaut’s aus?« Charly erhob sich und setzte zu einer umfassenden Erklärung an.
    »Die Berthold, also die Sekretärin, hat zwar gestanden, aber …«
    »Prima«, unterbrach ihn Garn, »dann ham wir den Fall ja geklärt.« Ohne weiter auf Charlys Einwürfe zu achten, machte er auf dem Absatz kehrt, tippte auf seinem Mobilteil herum und riss es sich ans Ohr.
    »Grüß Gott, Herr Polizeidirektor, Garn hier. Gute Nachrichten …« Dann war er am Gang verschwunden und nicht mehr zu hören.

Freitag, 07. November
    »Na super, warum erfahr ich das erst nach Redaktionsschluss?« Hubert Riederer war stinksauer. In einem überregionalen Boulevardblatt hatte der Lokalreporter die Überschrift ›Sekretärin rächt tote Freundin nach 40 Jahren‹ und einen Bericht zu dem Ingolstädter Fall gefunden.
    »Beruhig dich, Hubert«, versuchte Charly zu beschwichtigen, »dann musst du wenigstens keinen Widerruf schreiben. Das ist nämlich alles Quatsch. Ich weiß nicht, warum die Pressestelle das gestern Abend noch rausgegeben hat. Von mir kam’s jedenfalls nicht.«
    »Aber sie hat doch gestanden.«
    »Ja, aber das hinkt hinten und vorne. Ich versprech dir, du erfährst es, wenn ich was Genaues weiß.«
    »Okay, Charly, ich verlass mich auf dich. Ciao!«
    Kaum hatte Charly aufgelegt, rief Polizeidirektor Rubin an, um ihm zu dem schönen Ermittlungserfolg zu gratulieren. Aber Charly stellte klar, dass der Fall noch nicht aufgeklärt sei.
    »Wie kommt denn dann diese Meldung zustande?«, wollte der Vorgesetzte wissen. ’
    »Das können Sie sich doch denken, Herr Rubin.«
    »Mhh … gar nix konn i!«
     
    Vormittags wurde Frau Berthold noch einmal in den Vernehmungsraum geführt. Sie sah nun aus wie alle, die eine Nacht in den Zellen der Inspektion verbracht hatten: zerknittert, zerzaust, unausgeschlafen, eingefallen. Mit hängendem Kopf schlurfte sie über den Gang, ohne nach links und rechts zu blicken. Und genauso apathisch saß sie auf dem hölzernen Stuhl im Vernehmungszimmer, die Schultern nach vorne geschoben und die Hände auf den Oberschenkeln. Allerdings schien sich während der Nacht ihr Entschluss gefestigt zu haben, die Tat zu gestehen. Einsilbig antwortete sie auf Charlys und Sandras Fragen und beschrieb den Ablauf so wie gestern auch. Sie sei nachmittags noch einmal zum Hof hinausgefahren, habe Bichler im Kuhstall angetroffen und ihn dort erschossen. Dann habe sie ihm die Pistole in die Hand gedrückt und sei in ihrem Auto mit hoher Geschwindigkeit davongefahren. Den Vorhalt, sie sei zur Tatzeit mit dem Rad am Caritas-Heim in Gerolfing gewesen, stellte sie einfach als falsch hin, und behauptete, an diesem Samstag mit dem Auto am Seniorenheim gewesen und von dort zum Hof und wieder zurückgefahren zu sein. Auf weitere Widersprüche in ihrer Aussage reagierte sie nur mit Achselzucken und auch Fragen nach Details beantwortete sie mit einem »Ich weiß nicht mehr. Es war so schrecklich. Ich kann mich nicht erinnern«. Einen Anwalt wollte sie nach wie vor nicht konsultieren. Sie brauche keinen, sagte sie, jetzt noch nicht. Später in einer Verhandlung vielleicht, aber jetzt wolle sie die Sache allein und schnell über die Bühne
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