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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer
Autoren: Thomas Peter
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Die Mitteilung war vor etwa einer Stunde abgeschickt worden.
     
    Schon als er sich am Telefon meldete, wirkte der Kollege von der Flughafeninspektion gereizt und genervt. Charly erklärte ihm, dass es um die Festnahme eines Tatverdächtigen in einer Mordermittlung gehe, der vermutlich in circa einer Stunde nach London abfliegen werde. Der Beamte lachte kurz und gepresst, was sich am Telefon jedoch wie ein Grunzen anhörte. »Kollege, der Jahrestag der Reichspogromnacht steht bevor. Das heißt, es landen jede Mengen Maschinen aus Israel mit der höchsten Sicherheitsstufe. In und um München laufen derzeit zwei Messen und eine Speedway-Weltmeisterschaft. Dazu noch heute und morgen ein politischer Arbeitsgipfel auf Ministerebene. Wir haben aktuell einen Unfall mit vier Fahrzeugen auf dem Zubringer und eine Maschine im Anflug, die Probleme mit dem Bugfahrwerk meldet. Hey, sorry: keine Chance. Aber wir haben mit England ein Rechtshilfeabkommen. Lass ihn rüberfliegen und drüben festnehmen, dann ist er in 14 Tagen wieder da. Wir können dir leider nicht weiterhelfen.«
    »Fix!« Charly knallte den Hörer auf die Gabel. Dann sprang er auf und griff sich seine Jacke.
    »Auf geht’s! Helmuth, du fährst!«
    Helmuth entschied sich für den 5er BMW. Sie hatten keine Stunde mehr für die 70 Kilometer von Ingolstadt bis zum Flughafen, und das bei dieser Witterung im Berufs- und Reiseverkehr am Freitagnachmittag. Und außerdem hatten sie noch keine Ahnung, wie es am Flughafen weitergehen sollte.
    Im Hof sperrte der junge Kommissar, den Charly vor drei Wochen im Bichler-Hof zum ersten Mal gesehen hatte, gerade seinen Streifenwagen ab.
    »Wir müssen in einer Dreiviertelstunde am Flughafen sein, sonst fliegt unser Mörder nach England und ist weg«, rief ihm Charly entgegen. Verblüfft stellte er fest, dass der junge Kollege weder irgendwelche Fragen stellte noch Bedenken äußerte. Er sperrte den Dienstwagen sofort wieder auf, warf sich hinters Steuer und startete den Motor. Charly hatte den rechten Fuß noch draußen, als der Audi losfuhr. Auch Helmuth und Sandra hatten ihren BMW erreicht und fuhren los. Während sie vor dem großen Metalltor warten mussten, bis sie den Sicherheitsbereich verlassen konnten, setzte Sandra das Blaulicht mit Magnethalter auf das Dach des Zivilwagens. Dann begann eine abenteuerliche Fahrt durch den Berufsverkehr der Stadt, über rote Ampeln, auf Radwegen vorbei an kleinen Staus, auf der Gegenspur großer, leicht überfrorener Ausfallstraßen vorbei an zockelnden, verunsicherten Autofahrern, die sich vermutlich eben in diesem Moment entschlossen, jetzt dann doch die Winterreifen zu montieren. Auf der Autobahn herrschte auf allen drei Fahrstreifen dichter Verkehr und mancher Luxusmarken-Chauffeur räumte nur widerwillig und nach mehrmaliger Aufforderung durch die Lichthupe die linke Spur. Helmuth und der junge Kommissar im Streifenwagen schenkten sich nichts. Charly hegte zu Beginn der Fahrt kurz die Befürchtung, Helmuth könnte versuchen, den Streifenwagen zu überholen. Aber dazu bot ihm der junge Kommissar – Johannes, wie Charly mittlerweile wusste – keine Gelegenheit. Er fuhr wie der Teufel, aber stets sicher und beherrscht. Trotzdem brauchten sie in der Blechlawine eine gute Dreiviertelstunde, bis sie auf den Flughafenzubringer einbogen. Dort trafen sie auf einen Stau, der durch den Unfall mit den vier Fahrzeugen verursacht wurde. Mühsam quälten sie sich durch die Freiräume zwischen den Fahrspuren und schließlich konnten sie die Unfallstelle und die staunenden Kollegen, die mit der Unfallaufnahme beschäftigt waren, passieren.
    »Terminal?«, fragte Johannes.
    Charly sah auf die Uhr. Die Stunde war beinahe um und der Abflug stand unmittelbar bevor. »Nein, zu spät!«, antwortete er. »Vorfeld!«
    Johannes zog die Augenbrauen hoch. Zum Befahren des Vorfeldes am Flughafen, das Areal, wo die Maschinen abgestellt wurden, wo Passagiere zu- und ausstiegen, wo die Jets zur Startbahn fuhren oder von der Landebahn kamen, brauchte man eine spezielle Berechtigung. Es galten eigene Regeln, in die man eingewiesen sein musste. Man durfte nur innerhalb bestimmter bunter Linien fahren, die, wenn man ihre Bedeutung nicht kannte, aussahen wie ein verwirrender Schnittmusterbogen auf dem Asphalt. Aber was soll’s. »Vorfeld«, bestätigte er.
    Sie schossen die Nordallee entlang auf die Einfahrtskontrollstelle zu. Charly hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte, wenn der Kontrollposten die
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