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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer
Autoren: Thomas Peter
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Prolog
    Warum galt das nichts mehr, was er sagte? Das war doch bis jetzt immer anders gewesen. Wenn er eine Entscheidung gefällt hatte, dann war das unumstößlich gewesen; alle hatten sich daran gehalten und es hatte keinen Widerspruch gegeben. Und jetzt? Immer das gleiche Thema, immer die gleiche Leier. Dabei hatte er seine Meinung zu dieser verrückten Idee schon lange gefasst und er war der Überzeugung, er hätte sie auch unmissverständlich geäußert. Aber nein, scheinbar zählte das nicht mehr. Er hatte jetzt die Faxen dick. Außerdem wollte er das Ende der Radioübertragung des Bundesligaspieles zwischen Rot-Weiß Essen und Bayern München hören. Bis eben hatte es 3:3 geheißen und es war spannend. Dieses blödsinnige Gespräch, das ihn beim Radiohören störte, war für ihn beendet.
    Also gut, er würde es noch ein letztes Mal erklären, laut und deutlich, dann musste aber endgültig Schluss sein. Bei den letzten Worten schrie er seinen Besucher fast an. Danach stand er auf und wandte sich ab. Das musste doch ein deutliches Zeichen sein; deutlich genug.
    Plötzlich spürte er einen dumpfen Schmerz am Hinterkopf. Instinktiv vollzog er ein halbe Drehung, sein Wohnzimmer hörte jedoch nicht auf, weiter um ihn zu kreisen. Er spürte, dass er nach hinten wegsackte und ruderte hilfesuchend mit den Armen. Die Finger der rechten Hand fanden und umklammerten den Unterarm seines Gegenübers. Der Sturz war aber nicht mehr zu vermeiden und seine Fingernägel schrammten über die fremde Haut. Im Fallen schlug seine rechte Schulter gegen die Tischkante, wodurch die große Blumenvase, die Lieblingsvase seiner Frau, herunterfiel und zerbrach. Auf dem Rücken kam er zwischen Tisch und Kanapee zum Liegen.
    Noch immer unfähig zu begreifen, was passiert sein könnte, starrte er zur Zimmerdecke empor. Es musste ein Schlag gewesen sein, der ihn niedergestreckt hatte. Und jetzt beugte sich dieser Schatten über ihn. Warum sah er nicht mehr scharf? Gefahr – er musste sich verteidigen, irgendwie. Er versuchte sich aufzurichten und dem vermeintlichen Angreifer die Hände entgegenzustrecken. Doch seine Arme fühlten sich bleischwer an und gehorchten ihm viel zu langsam.
    Den Schmerz nach dem zweiten Schlag, der ihm den Schädelknochen zertrümmerte, spürte er nicht mehr. Das Spiel war aus, es blieb beim 3:3.
    ***
    Ihre Kleider hatte sie säuberlich zusammengefaltet und am Ufer abgelegt. Sie stand bis zu den Knien im kühlen Wasser der Donau und wenn jetzt jemand den Uferweg entlang käme, würde er sie splitternackt sehen. Na und? Die Sonne war seit zwei Stunden den milchig-blauen Himmel emporgeklettert und kündigte erneut einen heißen Tag an. Aber das war ihr auch egal. Es war ihr genauso egal wie ihre Nacktheit. Was hatte das denn noch für eine Bedeutung, dort wo sie hinging! Sie freute sich auf die andere Welt. Schließlich hatte Großvater sie ja zu sich gerufen. Immer wieder. Und er hatte dabei so herzlich gelächelt, so vertraut und liebevoll. Er wirkte so glücklich, so zufrieden, so geborgen. Sie war sogar überzeugt, ihr Onkel Korbinian, den sie nur von einem Schwarzweißfoto her kannte, sei ihr in einer der zahlreichen durchweinten Nächte erschienen. Als sie an das Spitzbubengesicht mit der Wehrmachts-Schirmmütze dachte, lächelte sie unwillkürlich. Sie ging zwei Schritt nach vorne und spürte die Strömung, die kräftig an ihren Hüften zerrte. Sie stieß sich ab und ließ sich mitreißen. Die andere Welt konnte nur besser sein als das Leben hier, denn hier war es kein Leben mehr, keine Freude, keine Hoffnung, keine Zuversicht. Sie ließ sich zur Flussmitte treiben und tauchte unter. An der Oberfläche tanzte die Sonne als verwaschener heller Fleck, um den herum das Wasser der Donau grün schimmerte und in ein dunkles Grau auslief. Da war ja auch Großmutter. Wie schön ihr Gesicht strahlte. Sie trug immer noch das grüne Kleid, das man ihr zur Beerdigung angezogen hatte. Sie winkte ihr zu. Dann wurde es dunkel und kühl.
    ***
    Blöde Menschen! Was die immer alle wollten. Was ging ihn denn das Glück der anderen an? Einen Dreck! War er dafür verantwortlich, dass es denen gut ging? Nein, die konnten ihm gestohlen bleiben; die sollten ihn in Ruhe lassen. Jeder musste für sich selber leben, und er brauchte niemanden. Er hatte seine Kühe. Die erledigten ihre Aufgabe, die ihnen von der Natur zugedacht war, und nörgelten dabei nicht ständig rum und winselten und jammerten. Manchmal muhten sie ein wenig lauter,
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