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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer
Autoren: Thomas Peter
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sicher war, dass die Tupper-Party bereits zu Ende war. Nager und Charly kehrten zur Dienststelle zurück.
    Während der Rückfahrt berichtete Nager, wie Frau Kornburg den Toten gefunden hatte. Sie war keine Nachbarin, wie es in der ersten Mitteilung geheißen hatte, sondern wohnte am anderen Ende des Dorfes. Beim Vorbeifahren sei ihr der Krawall aufgefallen, den die Tiere im Stall veranstaltet hatten. Das sei ungewöhnlich gewesen, denn wenn sich der Bichler auch um nichts etwas geschert hatte, auf seine Tiere hätte er nichts kommen lassen. Dass er ein besonders liebenswürdiger Mensch gewesen sei, könne man laut Frau Kornburg nicht sagen. Aber wer hatte denn keine Macken oder mal einen kleinen Streit mit den Nachbarn? Nein, sie wollte nichts Schlechtes über den Bichler-Bauern, Gott hab ihn selig, sagen.
    Charly vermochte nicht zu erkennen, was an einer derartigen Vernehmung so lange hatte dauern können. Aber das würde vielleicht die Niederschrift der Anhörung noch zeigen.
    Auf Charlys Schreibtisch lag bereits der Bericht des jungen Kommissars, den Charly am Tatort kennen gelernt hatte. Aus dem mehrseitigen, detaillierten Aktenvermerk ging hervor, dass die Streife über Funk zu dem Hof beordert worden und dort um 18.10 Uhr eingetroffen war. Außer der Anruferin, Frau Kornburg, waren noch sieben weitere Personen im Hof und zum Teil auch im Stall gestanden. Es handelte sich um vier Nachbarn und drei Spaziergänger. Im Folgenden listete der Bericht säuberlich und übersichtlich die Personalien und Adressen aller Personen auf. Kurz nach der Streifenbesatzung waren die Sanitäter und eine Notärztin eingetroffen. Nachdem die Ärztin an Handgelenken und Hals keinen Puls erfühlen konnte und die Pupillen des Patienten keine Reaktion auf ihre Taschenlampe gezeigt hatten, habe sie eine Todesbescheinigung ausgefüllt und darin die Option der ungeklärten Todesursache angekreuzt, weil sie die Krankengeschichte des Toten nicht kannte und nicht zu entscheiden gewagt hatte, ob tatsächlich ein Schuss in den Kopf zum Tode geführt oder der Bauer kurz zuvor einen lebensbedrohlichen Zuckerschock erlitten hatte oder ob ihn unmittelbar nach der ganzen Aufregung ein Herzinfarkt dahingerafft hatte.
    Daraufhin hatten die Kollegen den Stall geräumt. An der Leiche, insbesondere an deren Lage, sei nichts weiter verändert worden.
    Lediglich ein ortsansässiger Landwirt hätte den Stall noch betreten. Ihn hatte man auf den Rat von Frau Kornburg verständigt und darum gebeten, sich um das Vieh zu kümmern. Die Kühe wären nämlich sehr aufgeregt gewesen und hätten laut geschrien, was vermutlich weniger an einem Trauma aufgrund des vorausgegangenen Geschehens als an vollen Eutern und Hunger gelegen hatte.
    Charly wunderte sich über die Beschreibung der schreienden Kühe und überlegte, wie es richtig heißen muss, wenn das Muhen von Rindviechern eine extreme Lautstärke erreichte. Er kam jedoch auf keine Lösung und konzentrierte sich wieder auf den Bericht. Der Nachbar hatte jedenfalls die Tiere gefüttert und gemolken, und dann war wieder Ruhe im Stall eingekehrt. Der Helfer hatte zugesagt, sich auch während der nächsten Tage der Tiere anzunehmen.
    Nachdem die Streifenbeamten den Einsatzort verlassen konnten, hatte Nager sie beauftragt, eine Angehörigenverständigung durchzuführen. Von Frau Kornburg hatten sie erfahren, dass die Ehefrau schon vor Jahren verstorben war. Es gab jedoch zwei Söhne.
    Charly ärgerte sich. Es war bekannt, dass Nager auch die Aufgabe, Angehörigen eine schlimme Nachricht zu überbringen, gerne auf andere abschob. Er ersparte sich die Szenen, wenn das Unfassbare von amtlicher Stelle und damit unumstößlich mitgeteilt wurde. Dass es zu den ersten Ermittlungsansätzen gehören konnte, die Reaktionen der Hinterbliebenen zu beobachten, interessierte Nager nicht. Er war froh, wenn er keinen der Angehörigen zu Gesicht bekam.
    Jedenfalls informierte der Bericht darüber, dass die Streifenbeamten vom Bauernhof aus zu den angegebenen Adressen der Söhne gefahren waren. Der jüngere Sohn, Manfred Bichler, konnte zu Hause nicht angetroffen werden und war vorerst nicht erreichbar. Beim älteren Sohn, Christian Bichler, hatte dessen Ehefrau den Beamten geöffnet. Ihr hatte man die Nachricht vom Tod des Schwiegervaters überbracht. Der junge Kommissar schilderte, dass die Frau die Mitteilung unbewegt entgegengenommen hatte, so, als ob ihr der Diebstahl ihres alten, wertlosen Fahrrades eröffnet worden wäre. Sie
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