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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer
Autoren: Thomas Peter
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Wohnzimmer g’rad eine Tupper-Party läuft, hab ich mir gedacht, ich schau einfach mal her, ob ich dir irgendwie helfen kann.«
    »Kollege Nager hat sich schon mit der Zeugin verzupft und die Kollegen von der PI haben jetzt andere Aufgaben. Schön, dass d’ da bist.«
    Der Hof war nun leer. Den Streifenwagen hatten die Kollegen quer vor die Einfahrt gestellt. Die Dorfbewohner und Spaziergänger drängten sich hinter der Absperrung auf dem Weg, und der Rettungswagen war abgezogen. Nachdem Fischer aus dem Kombi Foto- und Spurensicherungskoffer geholt hatte, machte er sich zusammen mit Charly auf den Weg zum Stall.
    In einem der großen Torflügel, an denen die hellblaue Farbe in großen Fetzen abblätterte, stand eine weitere, kleinere Tür offen. Durch diese betraten sie den Stall. Das Erste, was Charly beschäftigte, war der schwere, süßliche Geruch von Mist, vermischt mit den Ausdünstungen der Kühe. Dieser Mix traf seine empfindliche Nase wie eine Keule. Das Nächste war der Gedanke, wer sich jetzt wohl um die Tiere kümmerte, wenn das Opfer auf dem Hof allein gelebt hatte. Fiel das in den Zuständigkeitsbereich der Kripo? Wahrscheinlich nicht – hoffentlich! Er entschied, dass die Fragestellung nicht von primärer Bedeutung war, und verwarf den Gedanken. Stattdessen sah er sich im Stall um.
    Die weißgetünchte Decke des großen, vier Meter hohen Raumes wurde von vier dicken Säulen getragen. Zwischen den Säulen führte ein breiter Gang auf ein weiteres hölzernes Flügeltor auf der Rückseite zu. Rechts vom Eingang war für die elektrischen Anschlüsse eine kleine Kammer abgemauert. Links stapelten sich zahlreiche Futtersäcke auf Paletten. Und gegenüber standen links und rechts des Mittelganges die Kühe in Boxen, die armdicke Alurohre voneinander trennten. Vor den Boxen verliefen Futtermulden, die jetzt frisch mit Heu und Trockenfutter gefüllt waren. Mehrere Kühe fraßen mit gesenkten Köpfen, andere starrten die Besucher aus dumpfen Augen wiederkäuend an.
    Zwischen den Futterpaletten und den Kuhboxen lag die Leiche. Vielmehr saß sie, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, die Beine von sich gestreckt. Die Arme hingen schlaff herunter. Während die linke Hand auf dem Oberschenkel ruhte, lag die rechte mit dem Handrücken am Boden auf. Eine schwarze Pistole lag auf der Handfläche. Der Kopf war nach vorne gesackt und das Kinn ruhte auf der Brust. Es sah aus, als würde der Landwirt einen Schmollmund machen, weil er mit der Gesamtsituation überhaupt nicht zufrieden war.
    Charly und Bernd waren nach Betreten des Stalles zunächst stehengeblieben, um sich einen Überblick zu verschaffen und den ersten Eindruck wirken zu lassen. Wenn ein Spurensicherer am Tatort die Hände in den Hosentaschen hat, dann ist er nicht faul, sondern er arbeitet bereits mit dem Kopf und verhindert, dass er durch unüberlegtes Herumgetappe Spuren vernichtet. Das war der erste Leitsatz, den Charly in seiner Zeit beim Erkennungsdienst gelernt hatte. Und nach diesem Grundsatz handelten sie im Augenblick.
    Nur das leise Klirren von Metallketten und die Fressgeräusche der Kühe waren zu hören, während die Kriminaler das Bild in sich aufnahmen. Der Bauer war mit einer verwaschenen blauen Latzhose und einem karierten Hemd bekleidet, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Der linke Träger der Hose war mit dem Latz verknotet, da die Spange irgendwann verloren gegangen und nicht ersetzt worden war. Die Hosenbeine steckten in grünen Gummistiefeln. Ein paar wirre Strähnen klebten an der Stirn des Toten. Die restlichen Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Überraschenderweise waren sie bei einem geschätzten Alter von 60 bis 70 Jahren pechschwarz. Im Gegensatz dazu fanden sich in dem hageren Gesicht des Toten zahlreiche graue und weiße Bartstoppeln.
    Von dort, wo sie standen, machte Bernd Fischer die ersten Übersichtsfotos. Charly brauchte unterdessen nichts anderes tun, als die Situation zu betrachten. Er würde am Ende von Fischer eine umfangreiche Bildtafel und einen detaillierten Tatortbefundbericht bekommen. Charly wusste um die Routinearbeit des Erkennungsdienstes, Sachverhalte bereits beim ersten Einschreiten beweissicher zu dokumentieren, so dass später Fragen beantwortet werden konnten, an die im ersten Moment noch niemand zu denken vermochte. Auch Fragen von Richtern, Staats- und Rechtsanwälten, die in bequemen Sesseln in geheizten Büros lange über einen Fall nachdenken konnten und dadurch unter Umständen auf
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