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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer
Autoren: Thomas Peter
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schummrigen Saunabeleuchtung geflimmert hatten. Die Reise war die Überraschung seiner Frau zu seinem 41. Geburtstag gewesen.
    Der Kurzurlaub hatte seinen Kommissariatsleiter allerdings nicht daran gehindert, während dieser Zeit den Dienstplan zu gestalten und ihn für den Nachmittagsdienst am heutigen Sonntag einzuteilen, bevor er irgendetwas dagegen hatte sagen können. Der Vorgesetzte ging gerne den für ihn einfachen Weg, und er wusste, dass der gutmütige Kriminaloberkommissar ihn dafür zwar nicht lieben, den Sonntagsdienst aber ohne Murren erledigen würde.
    Fünfundvierzig Minuten noch, dann käme die Ablösung und Charly hätte einen unspektakulären, geradezu langweiligen Bereitschaftsdienst beendet und das Wochenende beschaulich ausklingen lassen. Doch jetzt jodelte dieses Telefon und auf dem Display leuchtete ›1012 PD IN EZ‹. Und wenn die Einsatzzentrale am Wochenende den Bereitschaftsdienst der Kripo anrief, bedeutete das in der Regel nichts Gutes.
    Er ließ die abgewetzten Cowboystiefel von der Tischkante gleiten und setzte sich aufrecht hin.
    »Kripo Ingolstadt, K1, Valentin«, meldete sich Charly. Sein Familienname war der Grund, dass er Charly genannt wurde. Eigentlich hieß er Georg. Doch bereits in den ersten Tagen seiner Polizeiausbildung waren die Kollegen auf die Idee gekommen, ihn in Anlehnung an das bayerische Komiker-Original Karl statt Georg zu nennen. Und ein Karl wird bei der bayerischen Polizei in den meisten Fällen automatisch zum Charly. Nur seine Mutter nannte ihn noch Georg, während sein Vater und seine Frau Petra ihn Schorsch riefen.
    »Moin, moin, Bruce, EZ, hier«, schepperte es im Hörer und Charly musste lächeln, als er seinen Gesprächspartner erkannte: Heinz Uwe Dirksen, vor Jahren von der Nordseeküste nach Bayern emigriert und seither Polizist in Ingolstadt. Wenn er auch mit Leib und Seele die bayerische Lebensart zelebrierte, so weigerte er sich beharrlich, den Dialekt anzunehmen. Bestenfalls sprach er gepflegtes Hochdeutsch und nicht sein Waterkant-Kauderwelsch. Den bayerischen Dialekt imitierte er nur zur allgemeinen Belustigung in geselligen Runden oder zu seinem eigenen Spaß.
    Heinz Uwe war der Überzeugung, dass man nur wirklich dazu gehörte, wenn man einen Spitznamen – oder einen Nickname, wie er sich ausdrückte – hatte. Und da er sich selbst die Kampfkraft von Bruce Lee und die Coolness von Bruce Willis zusprach, sollten alle ihn als Bruce kennen und ihn ausschließlich so nennen.
    »Servus, Heinz«, begrüßte ihn Charly, »was gibt’s?«
    »Z’Knoglersfreid end, an da Roßlett’n, had si’ scheint’s da Aussabauer entleibt.«
    »Hä?« Auf diese dialektische Kaskade war Charly nicht gefasst.
    Bruce stöhnte. »Im Ingolstädter Ortsteil Knoglersfreude, Roßlettenstraße, ist anscheinend der Besitzer des am weitesten außen gelegenen landwirtschaftlichen Anwesens durch Freitod aus dem Leben geschieden.«
    »Ah, jetzt! Geht doch.« Charly sah seinen gemütlichen Abend auf der Couch in unerreichbare Ferne rücken. »Und, weiter?«
    »Roßlettenstraße 17, Josef Bichler. Tot im Stall aufgefunden von einer Nachbarin. Suizid durch Erschießen, die Waffe hat er noch in der Hand. Kollegen von der Inspektion sind vor Ort. Der Notarzt bescheinigt unnatürlichen Tod. Was machst du denn heute noch? Ich geh jetzt dann nach Hause.«
    »Danke, Depp. Wen hast du schon alles verständigt?« Charly überging die Anspielung. Derartige Sticheleien waren zwischen ihnen üblich und beruhten je nach Gelegenheit auf Gegenseitigkeit.
    »Nur dich! Wenn die Offiziere von der Kripo das Ruder übernehmen, dann sind wir Leichtmatrosen doch außen vor. Den Rest machst du.«
    »Ja, schon klar. Bitte informier noch den zuständigen Bestatter. Du weißt doch, wie lange die immer brauchen, grad am Sonntag. Ansonsten wünsch ich dir einen schönen Feierabend, Fischkopf.«
    »Danke, Seppl. Mach nicht so lang. Auch dir danach noch einen schönen Feierabend. Tschüss.«
    Mit einem »Servus, du Pfeife« legte Charly auf. Er massierte sich die rechte Schulter und bewegte den angewinkelten Arm vorsichtig vor und zurück. Seit zwei Tagen spürte er ein Ziehen vom Nacken bis zum Oberarm, ohne dass er sich erklären konnte, was die Schmerzen verursachte. Dann riss er den Zettel mit seinen Notizen ab und machte sich auf den Weg quer durch die Dienststelle, denn sein Partner für diesen Bereitschaftsdienst war Kollege Nager vom Betrug. Charly war mit dieser Einteilung nicht glücklich. Nager
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