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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele
Autoren: Scott Nicholson
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Einführung
    1898
    W enn das Feuer aus ist, bin ich tot.
    Atemlos lief Sylva durch den dunklen Wald. Die Äste der Lorbeerbäume schlugen ihr ins Gesicht, hölzerne Klauen ergriffen ihr langes, wehendes Haar.
    Doch es war nicht ihre Schuld. Mutter lag im Fieber und Vater war mit einer Ladung Äpfeln unterwegs. Sylva musste sich allein um ihre zwei kleinen Brüder kümmern, dabei war sie war gerade einmal 16 Jahre alt. Und jetzt saß sie hier auf diesem verdammten Berg fest. Das Leben könnte wirklich ein bisschen mehr Gerechtigkeit walten lassen.
    Sie stolperte über eine Wurzel, fiel beinahe hin. Doch sie raffte den Saum ihres groben Leinenrocks nach oben und hastete weiter durch die Bäume. Dornensträucher peitschten ihr gegen die Knie. Es war nur etwa ein Kilometer, doch in kalten Novembernächten wie dieser kam ihr der Weg wie eine Ewigkeit vor, als ob sich Korban Manor immer weiter ausdehnte, um sich schließlich mit der Dunkelheit zu vereinen.
    Und die Dunkelheit empfing es mit offenen Armen. Doch darüber durfte sie sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Sie trug die Verantwortung für das Feuer, und die Familie war von Korban abhängig. Alle der alteingesessenen Familien waren von ihm abhängig, besonders diejenigen, die ihr Land an ihn verkauft hatten.
    Sie war dankbar für den so hoch am Himmel leuchtenden Mond, selbst wenn dieser manchmal Dinge enthüllte, die sie eigentlich gar nicht sehen wollte. In seinem Licht färbte sich ihr Atem silbern, während sie kleine Zaubersprüche vor sich hin flüsterte, die sie beschützen sollten.
    Die Entfernung zum Herrenhaus schien immer größer zu werden, als ob sich zu dem gewundenen Pfad immer neue Kurven dazugesellen würden. Doch irgendwann fand sie sich schließlich doch auf dem Stück Weideland wieder, das zum Rasen hin führte. Sie wagte kaum, ihre Augen auf das Haus zu richten, das sich schwarz vor dem dunklen Nachthimmel der Blue Ridge Mountains abzeichnete. Trotzdem riskierte sie einen Blick hinauf zum Fenster.
    Dunkel.
    Sie war spät dran.
    So schnell sie konnte, rannte Sylva zum Haus. Ihr Herz schlug bis zum Hals, ihr Puls raste. Sie nahm ein paar Holzscheite aus der Feuerholzkiste und schlich die Hintertreppe hinauf. Margaret war weg, irgendwo auf dem Weg zu einem sehr vornehm klingenden Ort namens Baton Rouge. Wenn sie sich beeilte, würde vielleicht niemand ihr Zuspätkommen bemerken.
    Es ist nur ein dummes, kleines Feuer. Es ist ja nicht so, dass jemand erfrieren würde.
    Auf Zehenspitzen lief sie den Flur hinunter, die Dielen knarrten verräterisch. Vor seiner Tür hielt sie an. Wenn sie klopfte, würde man sie erwischen. Am besten sagte sie gar nichts, machte nur das Feuer an und schlich sich wieder hinaus.
    Das Schlafzimmer lag im Dunkeln. Sie scheute sich, die Laterne anzuzünden, schließlich konnte sie so die Neugier möglicher Gäste wecken. Sylva schloss die Tür hinter sich und hoffte, dass die Glut noch hell genug war, um ihr ein wenig Licht zu spenden. Doch die Kaminplatte war kalt und der Raum gefüllt vom beißenden Geruch des erloschenen Feuers.
    Sie kniete sich hin, legte das Holz auf den Fußboden, tastete nach den Zeitungen und der schmalen Schachtel Streichhölzer, die sie neben dem Schürhaken aufbewahrte. Selbst im Schutze vor der kalten Nachtluft fühlte sie sich erdrückt, als lasteten die Fluten eines tiefen Traums auf ihr. Jede noch so kleine Bewegung bereitete ihr große Mühe. Die Streichhölzer klapperten, als sie den Behälter umstieß. Sie zerknüllte einige Seiten der Zeitung und stopfte sie unter das Kaminbesteck. Plötzlich vernahm sie irgendwo im hinteren Teil des Zimmers ein leises, dumpfes Geräusch.
    Sylva entzündete ein Streichholz. Es flackerte kurz auf und verglühte. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde der Raum erleuchtet und aus den Augenwinkeln sah sie, dass sich hinten in der Ecke etwas bewegte. Obwohl die Schwerkraft gegen sie arbeitete, beeilte sie sich, ein weiteres Streichholz anzuzünden. Ein eisiger Luftzug durchfuhr das Zimmer und brachte die Flamme zum Erlöschen, bevor sie mit dem Papier in Berührung kommen konnte.
    Warum bloß sind die Fenster geöffnet?
    Ephram hatte ausdrücklich verboten, dass die Fenster in seinem Zimmer geöffnet wurden. Als hätte sie Schwimmhäute an den Fingern, tastete sie nach dem nächsten Streichholz. Wieder hörte sie das leise Geräusch, ein rasselndes Atmen, gefolgt vom unmissverständlichen Knarren des Himmelbetts. Sie kniff die Augen zusammen und konzentrierte
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