Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
berauschende Wirkung ein, und hätte der Wächter diesem Treiben nicht schließlich ein Ende gemacht, indem er die Schreihälse an die Luft setzte, wäre zu den übrigen Schmerzen wohl auch noch ein kräftiger Kater gekommen.
    Nur Wies blieb bei ihm, um seinen Arm weiterhin zu versorgen.
    Von ihm erfuhr Ansgar schließlich auch, was sich in der vergangenen Nacht nach seinem unrühmlichen Abgang weiter zugetragen hatte. Trotz des tobenden Gelächters hatten viele der Gäste eine heimliche Bewunderung für seinen Mut empfunden, sich ganz allein dem allseits gefürchteten Grafen entgegenzustellen, auch wenn sich alle denken konnten, dass es eher Ansgars Naivität und Unerfahrenheit waren, die ihn zu dieser Tat veranlasst hatten.
    Beim ersten Hahnenschrei waren die anwesenden Musikanten dann – betrunken, wie sie waren – feierlich übereingekommen, ihren Nachwuchs bei seinem Anliegen zu unterstützen. Angesichts der Tatsache, dass Gaukler und Musikanten in Iskan kein hohes Ansehen bei der Bevölkerung genossen, waren sie der Meinung, dass Ansgar ihrem Stand Ehre gemacht hatte.
    Wies verhehlte nicht, dass viele der Schwurleistenden ihren Entschluss sicherlich bereuen würden, sobald sie wieder nüchtern waren, aber er zweifelte daran, dass auch nur einer von ihnen wortbrüchig werden würde. Das fahrende Volk hielt stets zusammen, und ein falscher Eid war ein schlimmes Vergehen gegen ihren Ehrencodex.
    Während Wies ihm alles in beiläufigem Tonfall berichtete, wurde Ansgar klar, dass der alte Barde, dessen geschliffene Sätze jeden trägen Trauersack mitreißen konnten, nicht unerheblich zu dieser hilfsbereiten Stimmung beigetragen hatte. Ansgar dankte ihm im Stillen dafür, und Wies verstand ihn ohne viel Worte.

5.
     
    Die nächsten Tage verbrachte Ansgar am Gitter des Kerkerfensters, das in Bodenhöhe des Hofes eingelassen war und einen Blick über den gesamten Platz und den Burgfried des Grafen gewährte. Wenn der Gefangene nicht gerade finsteren Rachegedanken nachhing, fütterte er die Tauben am Fenster mit den Krumen des verschimmelten Brotes, das man ihm morgens, mittags und abends zur Wassersuppe reichte.
    Ab und an sah einer der Barden bei ihm vorbei, unterhielt sich mit ihm durchs Gitter und machte ihm Mut. Wies ließ sich meist erst gegen Abend sehen, da er sich bemühte, den Aufenthaltsort von Thiese und den anderen ausfindig zu machen. Sie alle waren überzeugt, dass die Wachen Ansgar freilassen würden, sobald die Wut des Grafen verraucht und der Vorfall in Vergessenheit geraten war. Vermutlich konnte sich der Herrscher bereits nicht mehr an ihn erinnern, denn seit Beginn der Feierlichkeiten war er einem ununterbrochenen Weinrausch erlegen.
    Am vierten Abend erschien Wies in Begleitung von Thiese, der ebenso abgemagert wie Ansgar wirkte. Mit Tränen in den Augen saßen sich die beiden ungleichen Brüder gegenüber. Sie hatten sich nie recht verstanden, doch die Not führte sie zusammen, und so fühlten sie sich einander so nahe wie selten zuvor.
    Ansgar erfuhr, dass die gepressten Rekruten in einem nicht weit entfernten Zeltlager untergebracht waren. Sie wurden dort des Nachts kaum bewacht, denn die Drohung, an ihren Eltern Rache zu nehmen, hinderte sie an der Flucht.
    Ansgar versprach, einen Weg zu finden, sie dort herauszuholen, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wie er dies bewerkstelligen sollte. Thiese, der sich über diesen Umstand im Klaren war, bedankte sich gerührt und baute seine ganze Hoffnung auf das Versprechen des Bruders, denn die Not macht gläubig.
    Auf der Suche nach einer Möglichkeit, die gefangenen Jungen zu befreien, verbündeten sich die Barden mit den traditionell obrigkeitsuntreuen Gauklern, die noch so manche Rechnung mit dem Grafen und seinen brutalen Landsknechten offen hatten.
    Ansgar hing indessen seinen eigenen Gedanken nach. Ihm war mittlerweile klar geworden, dass er seinen verletzten Arm nie wieder richtig würde gebrauchen können, weder zum Spielen der Laute noch um auf dem Felde wirkungsvoll mitzuhelfen. Ein junger Kerl, auf ewig zum Krüppel geschlagen und der Mildtätigkeit seines hartherzigen Vaters ausgeliefert. Wenn Verwünschungen töten könnten, wäre der Urheber seiner Behinderung wohl augenblicklich vom Blitz erschlagen worden.
    Da aber Flüche allein nicht halfen, grübelte Ansgar verzweifelt über andere Möglichkeiten nach, wie er seine Freunde straflos ins Dorf zurückführen, sich selbst eine sinnvolle Zukunft aufbauen und sie obendrein auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher