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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger
Autoren: Bernd Frenz
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festen Übergang, der von einem mäßig interessierten Posten bewacht wurde.
    Ansgar, der das Heim des Grafen nur aus den Erzählungen einiger Troubadoure kannte, wurde auf diese Weise zum ersten Mal mit der dichterischen Freiheit der Musikanten konfrontiert, denn die übers Land ziehenden Sänger entfernten sich bei der Ausschmückung ihrer Strophen oft weit von der Wirklichkeit.
    Obwohl auch der Innenhof nicht so imposant war, wie er es erwartet hatte, schob sich Ansgar mit großen Augen durch die vor ihm drängende Menge. Denn trotz der ersten Ernüchterung war diese Burg das weitaus größte Bauwerk, das er je gesehen hatte und das er je sehen sollte.
    Der größte Teil der Unterkünfte und Scheunen war in der traditionellen Holz- und Lehmbauweise erstellt, nur der Burgfried des Grafen war bis zum ersten Stock aus Feldsteinen gemauert. Dieser imposante Turm überragte den Verteidigungswall um das Dreifache und bildete den Mittelpunkt der Festung, sodass er von allen im Hof befindlichen Gebäuden am weitesten von äußeren Angriffen entfernt war. Die oberen Stockwerke bestanden aus massivem Eichenholz, im Dachstuhl befand sich ein wilder Taubenschlag.
    Neben dem Turm drängte sich ein langes Gebäude, das den Speisesaal beherbergte. Vor der offenen Küchentür hatten sich einige Gaukler und Bänkelsänger versammelt, die dem Koch, in der Hoffnung auf eine warme Mahlzeit, ein Ständchen gaben. Erst da fiel Ansgar auf, wie viel fahrendes Volk sich im Hof versammelt hatte, und ihm wurde klar, dass sein unbehelligter Eintritt nur der mitgeführten Laute zu verdanken war.
    Festen Schrittes steuerte er auf die anderen Bänkelsänger zu, in der berechtigten Vermutung, dort am wenigsten aufzufallen. Er fand unter den freundlichen Musikanten schnell Anschluss und erfuhr von ihnen, dass wegen der erfolgreichen Arbeit der Steuereintreiber für den Abend ein großes Festmahl geplant war. Deshalb hatten sich von nah und fern alle Bettler, Gaukler und Musikanten eingefunden, um in diesem für sie sonst so kargen und lebensfeindlichen Landstrich endlich einmal satt zu essen zu erhalten.
    Ansgar verschwieg seine wahren Absichten für den Abend und gab vor, aus dem gleichen Grund gekommen zu sein. So spielte er den Nachmittag über mit den anderen und musste dabei zu seinem Schrecken feststellen, dass er nicht nur der mit Abstand jüngste, sondern auch schlechteste Virtuose war.
    Seine Kollegen bescheinigten ihm jedoch großes Talent und zeigten ihm den einen oder anderen Kniff, sodass er an diesem Nachmittag mehr lernte als sonst in einem ganzen Jahr des Selbststudiums.

3.
     
    Die Zeit bis zum Abend verging im Kreise der neuen Freunde wie im Fluge, und als das Knurren der leeren Mägen ihr Spiel zu übertönen drohte, wurde der Speisesaal endlich für das gemeine Volk freigegeben. Ihre Plätze befanden sich natürlich bei den Knechten und Mägden am Ende der Tafel, doch da es den Grafen nach Unterhaltung dürstete, wurden die Minnesänger einzeln nach vorn gerufen.
    Nachdem der Erste geendet hatte, drängte sich Ansgar frech vor, was ihm einige erboste Zurufe der anderen Barden einbrachte, doch das war ihm egal. Er hatte weit mehr vor, als nur den Grafen zu unterhalten. Er wollte zeigen, dass ein Musikant genauso wertvoll sein konnte wie ein guter Knecht auf dem Felde; dass die Lyrik eines Poeten so mächtig war wie das Schwert eines Kriegers. Ja, er wollte hier und jetzt seinem Vater und allen anderen beweisen, dass er weder ein Träumer noch ein Spinner und vor allem kein Nichtsnutz war. Er war fest entschlossen, die Kinder seines Dorfes mit der Kraft seines Gesanges zurückzubringen.
    Während der vergangenen vier Tage hatte er an einem Text gefeilt, der den Grafen so rühren sollte, dass er die Gefangenen einfach freilassen musste.
    Nachdem sich der Tumult auf den hinteren Plätzen gelegt hatte, wurde es still im Saal. Die Mehrheit der Gäste, die noch nicht betrunken war, schien zu ahnen, dass sich da weit mehr abspielte als nur der Versuch eines Jungspunds, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Gespannt warteten sie, mit welcher Darbietung er sein ungebührliches Betragen rechtfertigen wollte. Selbst der Graf, der sich zuvor nur mit seinem Essen beschäftigt hatte, schaute gespannt auf.
    Ansgar stellte sich vor die Tafel der Adligen, räusperte seine belegte Kehle frei und begann zu singen, bevor ihm die weichen Knie den Rückzug befahlen. Mit anfangs zittriger, doch dann immer festerer Stimme begann er das Lied von den
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