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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger
Autoren: Bernd Frenz
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verlorenen Söhnen, die eines Tages aus ihren Häusern entführt wurden. Er sang von den Leiden der Mütter und Väter, von dem Unglück, das damit über das Dorf hereinbrach, und dem Großmut eines Grafen, der nötig war, um dieser Geschichte ein gutes Ende zu geben.
    Als er seinen Gesang beendet hatte, war es so still im Saal geworden, dass man eine Feder hätte fallen hören. Erwartungsvoll sah Ansgar den Lehnsherrn an, der ihn mit so weit offenem Mund anstarrte, dass ihm die Fleischbrocken fast wieder herausfielen.
    Der Musikant wollte gerade zu der Bitte ansetzen, doch dem Beispiel aus dem Lied zu folgen und seine Freunde freizulassen, als der Monarch seinen Mundinhalt ausspie und zu brüllen begann: »Noch nie in meinem Leben habe ich ein so unverschämtes Lied vernommen – und dazu auch noch schlecht gespielt! Brecht diesem Lumpen den Arm, damit er meine Ohren nie wieder mit seinem Geplärre beleidigt!«
    Ehe Ansgar sich’s versah, hatten ihn die Wachen bereits gepackt und zum Tisch des Grafen gezerrt. Zuerst wurde ihm unter dem Gelächter der versammelten Menge die eigene Laute auf dem Kopf zerschlagen, danach zwängte man ihn auf die Knie und riss seinen rechten Arm auf die eichene Tafel. Verzweifelt versuchte er sich dem Griff der Wächter zu entziehen, doch eine Übermacht von Händen presste ihn nach unten und nagelte ihn auf die Tischplatte.
    Der Saal hatte sich in einen Hexenkessel verwandelt. Gelächter und fröhliches Gejohle drangen wild durcheinander, und als schließlich ein Knecht mit einem riesigen Holzprügel auftauchte, brach die Menge in stürmischen Applaus aus.
    Für Ansgar fiel eine Welt zusammen. Er hatte angenommen, dass man ihn für seinen Mut und die Treue zu seinen Freunden bewundern würde, doch stattdessen behandelten sie ihn wie einen Dummkopf, der an seinem Schicksal selbst schuld war. Angst und Scham lähmten seine jungen Glieder, und er dachte, dass der Spott, der über ihm zusammenbrach, die größte Pein auf der ganzen Welt sein müsste.
    Bis sie ihm den rechten Arm mit dem Eichenknüppel zertrümmerten. Da wusste er, dass es noch etwas Schlimmeres gab, als verhöhnt zu werden.

4.
     
    Die Wachen zerrten ihn über den Hof und warfen ihn in einen feuchten Keller, in dem er die ganze Nacht wimmernd in einer Ecke hockte. Obwohl ihn die Schmerzen fast um den Verstand brachten, verfiel er im Morgengrauen schließlich in einen unruhigen Dämmerzustand, aus dem er erst wieder gerissen wurde, als die Mittagssonne durch das vergitterte Kellerfenster fiel.
    Verwirrt starrte er zu der offenen Kerkertür, durch die eine ganze Horde von Musikanten drängte, vorneweg Wies und Heier, zwei Veteranen im Geschäft mit der Laute, die sich am Vortage ein wenig seiner angenommen hatten. Im Hintergrund sah er das ängstliche Gesicht eines Wächters, der sich offensichtlich gerade fragte, ob man ihn mit genügend Silberstücken bestochen hatte, um diesen lärmenden Mob bei dem Gefangenen einzulassen.
    Seinen gebrochenen Arm völlig missachtend, wurde Ansgar von seinen vermeintlichen Standeskollegen dicht umringt, freundlich geknufft, auf die Schulter geschlagen und auch sonst aufs Herzlichste durchgeschüttelt. Erst als ihm einige unterdrückte Schmerzenslaute über die Lippen drangen, ließen sie etwas von ihm ab.
    Sogar seine zerbrochene Laute hatten sie notdürftig geflickt und ihm mitgebracht. Überwältigt davon, quollen Ansgar Tränen der Rührung aus den leergeweinten Augenwinkeln.
    Während er sich verlegen schnäuzte, ergriff Wies das Wort und übertönte das unverständliche Stimmengewirr der aufgeregten Barden. »Du hast das Feuer eines echten Bänkelsängers in dir, tapferer kleiner Kerl. Wir sind alle stolz auf dich und bewundern den Mut, mit dem du für deine Freunde eingestanden bist. Da soll es noch einmal einer wagen zu behaupten, in uns Dichtern würde nicht das Herz eines Kriegers schlagen!«
    Während die anderen, offensichtlich noch unter der Einwirkung des bis in die frühen Morgenstunden genossenen Weins, in beifälliges Gemurmel verfielen, dachte der recht nüchtern wirkende Wies eher praktisch. Er legte Ansgars misshandelten Arm frei, bestrich ihn mit einem stinkenden Kräuterextrakt und schiente ihn anschließend mit zwei mitgebrachten Holzlatten und einem langen Stoffstreifen.
    Jedes Mal, wenn Ansgar bei dieser Behandlung aufstöhnte, setzte ihm die versammelte Sängerschaft einen Weinschlauch an die Lippen. Da er keine geistigen Getränke gewöhnt war, trat schnell die
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