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African Queen

African Queen

Titel: African Queen
Autoren: Helge Timmerberg
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1. DIE INVASION DER PAVIANE
    L isa sagt erst mal gar nichts, als wir das Zimmer betreten. Die vierzehn Stunden Flug mit Zwischenstopps in Kairo, Khartum, Nairobi und Lusaka haben uns etwas zu dünnhäutig für die Hölle gemacht. Das Fegefeuer ist nicht immer heiß, es kann auch kalt sein, entsetzlich kalt und leer. In diesem Raum gibt es nichts, was im weitesten Sinne nach Trost aussieht. Kein Bild, kein Foto, keine Vase, kein Deckchen, keinen Teppich, nicht mal einen Bierdeckel oder so etwas. Kahle Wände, kahler Boden, ein wackliger Stuhl und das Bett mit Albträumen bezogen. Sind wir dafür achttausend Kilometer geflogen? Ich bin in Afrika, aber ich bin nicht mehr allein. Der Vorteil des Zu-zweit-Reisens ist, dass immer nur einer am liebsten tot umfallen möchte, und dem anderen fällt was ein. Ich nehme sofort die Chance wahr, Lisas Held zu sein, und checke wieder aus.
    Nächstes Hotel, nächste Prüfung. Das «Korean Garden» hat einen Swimmingpool, ein Restaurant und eine Kakerlake im Bad. Eine nicht besonders große und anscheinend auch bereits halbtote Kakerlake, die sich über den Boden schleppt, bevor Lisa einen Abfalleimer über sie stülpt. «Tu etwas», sagt sie, «bitte tu etwas.» Fakt ist allerdings: Ich ekle mich vor Kakerlaken noch mehr als sie. Also, was soll ich jetzt machen? Drauftreten? Sogar die Kakerlaken-Tötung ohne direkten Körperkontakt ekelt mich, außerdem wäre dann mein Schuh für immer eklig, mit dem Kakerlakenbrei untendran. In die Hand nehmen? Raustragen? Glitsch und Schleim in meiner Faust für, sagen wir, eine volle Minute ertragen? Ich weiß nicht, ob ich das kann. Der Gärtner kann es. Ich hole ihn von draußen, und er lacht, als er die Kakerlake sieht. Er hat nach meiner Schilderung mit einem Skorpion gerechnet, mit einer Kobra oder einer Ratte. Er nimmt das arme Tier vom Boden und steckt es sich in die Hosentasche. Nachdem ich ihm Trinkgeld gegeben habe, verlässt er noch immer lachend das Zimmer, und das war es dann mit der zweiten Heldentat an diesem Tag.
    Lisa reagiert darauf gespalten. Einerseits bin ich schlimmer als ein Mädchen, andererseits souverän. Reist sie mit einem souveränen Mädchen? Oder mit einem mädchenhaften Souverän? Und was bedeutet das für Malawi, wenn erst im «Korean Garden», aber bald auch in jedem anderen Hotel des Landes die Gärtner minimum eine Kakerlake pro Tag in jedes Zimmer legen, weil das Trinkgeld, das einst ein weißer Mann einem der ihren gab, doppelt so hoch wie sein Tageslohn war?

    Der erste Tag ist immer schwierig. Bei Fernreisen kommt die Seele erst drei Tage später an. Und man fühlt sich seltsam ohne Seele. Man ist nirgendwo zu Hause, weder im Alten noch im Neuen. Außerdem ist es Sonntag. Da zeigt keine Stadt, was sie kann. Alle Geschäfte geschlossen, die Bürgersteige hochgeklappt, hin und wieder bewegt der Wind auf den staubigen, menschenleeren Straßen einen Fetzen Papier. Mit dieser Ödnis harmonieren die Häuser der Stadt. Hauptsache-es-regnet-nicht-rein-Architekten haben ein Stadtbild des schnörkellosen Funktionalismus auf unterstem Materialniveau geschaffen, und infrastrukturell glänzt die Metropole Malawis mit zwei, drei asphaltierten Straßen. In Lilongwe sonntags allein zu sein bedeutet, einsam im Alkohol zu versinken, aber zu zweit trinken wir manierlich, und im Bett halten wir uns aneinander fest. Jeder ist des anderen Decke und Kissen, jeder ist des anderen Wärme und Schutz. Ich atme ihren Atem, ich atme in sie hinein, und damit schlaf ich ein.

    Der zweite Tag ist immer leichter. Ausgeschlafen, satt und von der Sonne geküsst, finden wir sofort die drei besten Adressen für unsere Interessen. Das «Kiboko Town Hotel», den «Fastest Internetshop» und das Restaurant «Don Brioni». Alle drei sind im selben Gebäude. Das Hotel gehört einer geschmackssicheren Holländerin, der Cybershop einem geldgierigen Inder und das Restaurant einem «Fake-Italiener» namens Brian, der weltweit, aber am liebsten auf Kuba Hotel- und Restaurantpersonal ausgebildet hat, bevor er sich in der Hauptstadt von Malawi niederließ, um, wie er sagt, seine alten Tage mit Trinken, Freundemachen und Geldzählen zu verbringen. Der Engländer ist über siebzig, seine afrikanische Frau unter vierzig, und sie sieht exakt so aus wie das, was die Restpotenz eines Siebzigjährigen braucht. Highheels, Hotpants, Megatitten und zwei knallrote Sofas statt Lippen. Don Brioni bietet die Standards der italienischen Küche, außer Pizzas, warum,
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