Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
die Unterwelt selbst die schreienden Flammen ausspeien, die im hohen Bogen auf den Burgfried des Grafen zuschossen.
    »Hexenfeuer!«, brüllte der abergläubischste von ihnen, und sofort fielen alle anderen mit ein in sein panisches Geschrei.
    »HEXENFEUER!!!«, gellte es so laut durch die Nacht, dass ein jeder, außer dem volltrunkenen Raubgrafen, davon geweckt wurde.
    »IRRLICHTER!!!«, brüllten andere Wachen, die entsetzt aus dem Burgfried flohen. »Alles raus aus den Häusern, das Hexenfeuer brennt alles nieder!!!«
    Unter Ansgars anschwellendem schauerlichem Gesang stiegen immer mehr der flammenden Geschosse auf, die unter markerschütterndem Kreischen über die Burgmauern hinwegjagten und auf den Burgfried zuhielten. Einige der verbrennenden Tiere stießen sofort in das Innere des Dachstuhls, wo ihre sterbenden Leiber das ausgelegte Stroh des Taubenschlags entzündeten. Das sich ausbreitende Feuer fand dabei rasch Nahrung in dem durch die lange Trockenzeit ausgedörrten Reisigdach, und auch die halb verfallenen Eichenbohlen boten keinen großen Widerstand.
    Andere der lebenden Fackeln umkreisten den Turm einige Male auf der Suche nach dem Einflugloch, sodass sie den in Iskan allseits gefürchteten Irrlichtern glichen. Zwei von ihnen gerieten dabei sogar in das weit geöffnete Fenster des Grafen, wo eine sogleich die Leinenvorhänge entflammte, während die andere auf das zerwühlte Bett des Tyrannen stürzte und dabei die Strohmatratze in Brand setzte.
    Der volltrunkene Schläfer erwachte erst, als die prasselnden Flammen an seinem Bart nagten. Entsetzt sprang er auf und stolperte zur Schlafzimmertür, um, wie seine untreuen Wachen vor ihm, ins Freie zu gelangen. Zu seinem Schrecken stellte er jedoch fest, dass die schwere Eichentür von außen verschlossen war.
    Hätte er nur einen Gedanken an das Gauklermädchen verschwendet, das er zum wiederholten Male gezwungen hatte, ihm zu Willen zu sein, ihm wäre vielleicht der Gedanke gekommen, dass er das Opfer eines wohldurchdachten Mordkomplotts war.
    Da der Graf jedoch wie immer nur an sich selbst dachte, stürzte er lediglich ans Fenster, auf der Suche nach einem Fluchtweg. Mittlerweile stand das ganze Zimmer in Flammen, und die Hitze wurde unerträglich.
    Mit angebranntem Bart lehnte er sich aus dem Fenster und brüllte voller Panik: »So helft mir doch, ihr Narren! Euer Herr ist in Not!«
    Doch statt in den brennenden Turm zu eilen, um den Fürsten zu retten, starrte das Volk ängstlich auf die über sie hinwegsirrenden flammenden Grüße, die ihnen der dämonische Sänger vor der Burg sandte.
    Fluchend rannte der Graf zurück zur Zimmertür, an der er erneut erfolglos rüttelte. Sosehr er auch mit dem Fuß gegen den Türrahmen stieß und sich mit aller Kraft und dem gesamten Körpergewicht nach hinten stemmte, fluchend an dem Türring zerrte, riss und zog — der von außen vorgelegte Balken erlaubte es der Tür nicht, sich auch nur einen Spaltbreit zu öffnen.
    Die Einrichtung des Schlafgemachs brannte mittlerweile lichterloh, während sich zu seinen Füßen Risse im Lehmboden bildeten. Die hell aufschlagenden Flammen versengten ihm Haare und Augenlider, und die aufgeheizte Haut seiner Wangen schlug erste Blasen. Über ihm stand das knarrende Gebälk der Holzdecke in Brand und sandte einen stetigen Glutregen in die Tiefe.
    Voller Verzweiflung zerrte der Graf weiter an dem glühenden Türring. Er ignorierte seine verkohlenden Hände, bis er endlich begriff, dass nicht nur sein Zimmer, sondern das gesamte Obergeschoss zur brennenden Falle geworden war. Hustend wankte er zurück zum Fenster. Lieber wollte er sich in die Tiefe stürzen, als wie ein gefangenes Tier in seinem Bau zu verenden.
    Er kam nur wenige Schritte weit, dann begrub ihn die herabstürzende Zimmerdecke wie ein Scheiterhaufen.
     
    Als der Todesschrei des Lehnsherrn durch die gespenstisch erleuchtete Nacht gellte, verharrte das Volk im Hof wie erstarrt. Nur einige Besonnene fuhren fort, jene Flammennester zu löschen, die sich durch Funkenflug auf den umliegenden Gebäuden gebildet hatten. Niemand kam auf die Idee, mit ein paar Bewaffneten den Schuldigen dieser Katastrophe festzusetzen.
    Ansgar, der das lautstarke Ende seines Gegners ebenfalls vernommen hatte, stellte seinen Gesang ein. Er rief den über ihm wie erstarrt stehenden Wachen noch einige Warnungen zu, die sie oder andere Landsknechte davon abhalten sollten, ihm zu folgen oder sich erneut an den Menschen seines Dorfes zu vergreifen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher