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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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außerdem alles andere als nachgiebig. Innerhalb weniger Sekunden standen
wir drei nebeneinander an der Schmalseite des Bassins. Clark links, Scholtow
rechts und ich in der Mitte. Sie waren übereingekommen, einmal hin- und
zurückzuschwimmen.
    Irgendeiner zählte: »Ras, dwa, tri.«
    Ich übersetzte: »Eins, zwei, drei«,
und wir stürzten uns, mehr oder weniger gleichzeitig, ins Wasser.
    Bei einem Wettschwimmen werden die
Generale wenigstens nicht reden, dachte ich mir zum Trost, doch da kannte ich
meine Generale schlecht. Sie waren kaum gut und wohl im Wasser, als sie auch
schon mit der Geschwindigkeit und Verve von Sportansagern das Ereignis
kommentierten, der eine auf russisch, der andere auf englisch. Ich befand mich
gleich weit im Hintertreffen und konnte sie kaum noch verstehen, geschweige
denn mit ihnen sprechen. Auf einmal jedoch vernahm ich einen Strom goldener
Worte: General Clark erkundigte sich, wozu — beim Satan — ich hier zu sein
glaube. Ob ich gefälligst General Scholtow mitteilen möchte, General Clark
finde, er habe einen ausgezeichneten Crawlstil. Ich öffnete den Mund, um es
Scholtow zuzubrüllen, aber der Wellenschlag eines der Generale schwappte mir
ins Gesicht, und das einzige, was ich hervorbringen konnte, war ein Mundvoll
Wasser. Ich versuchte es noch einmal.
    »General Clark sagt
    Jetzt war zur Abwechslung Scholtow
beleidigt. »Ich habe Ihnen schon zweimal aufgetragen, General Clark zu sagen,
daß seine Beinarbeit sehr gut ist.«
    Ich schrie in Richtung Clark: »Der
General sagt, Ihr Bein...«, und wieder erwischte mich eine Welle.
    »Zum Teufel, was ist denn an meinen
Beinen falsch?«
    Ich schnappte nach Luft: »General
Scholtow sagt...«
    »Mir verdammt egal, was General
Scholtow sagt! Was haben Sie da eben für eine blöde Bemerkung über meine Beine
gemacht?«
    »Das war General Scholtow...« Doch
inzwischen hatten sie das Ende des Bassins erreicht und schwammen bereits
wieder auf mich zu. Auch bei ihnen machten sich jetzt die Anstrengungen der
letzten Nacht bemerkbar, und sie sparten die Luft für Wichtigeres. Ich
strampelte bis zum Bassinende, kroch hinaus und lag erschöpft, durchweicht und
hundeelend auf der Zementeinfassung. Ich habe nie erfahren, wer gewonnen hat.
Ehrlich gestanden: Es war mir auch Wurscht.
    Die meisten Schwierigkeiten erwuchsen
mir bei General Clark aus dem Versuch, bei jeder Feierlichkeit die gleiche
Uniformart zu tragen wie er. Es war wie eine Wiederholung meiner Kadetten tage:
Auch hier hatte ich niemals vollen Erfolg. Einen Adjutanten hundertmal zu
fragen: »Was wird der General beim Interview tragen?« war sinnlos, denn unweigerlich
änderte entweder Clark im letzten Moment seinen Entschluß, oder meine Breeches
waren in der Reinigung, oder es kam sonst etwas dazwischen. Er sah mich
jedesmal kurz an, betrachtete mein jeweiliges Kostüm kritisch von der Mütze bis
zu den Schuhen, schüttelte verdrossen den Kopf und seufzte ärgerlich: »Thayer,
wann endlich werden Sie mal...« und so weiter.
    Bald nach dem Wettschwimmen erwiderte
Marschall Konjew Clarks Besuch. Die übliche Ehrenkompanie sollte abgeschritten
werden, und ich stellte Clarks Adjutanten die übliche Frage: »Welcher Anzug ist
für die Festivitäten befohlen?«
    »Felduniform«, war die Antwort. Dabei
habe ich Felduniform immer besonders gehaßt, weil meine Eisenhower-Bluse
dauernd hochrutschte, sich höchst unmilitärisch vor der Brust bauschte und
zwischen Koppel und Hose eine gähnende Kluft auf riß. An jenem Tage achtete ich
sorgfältig darauf, daß die Bluse gut gebügelt war und alle Schnallen beim
Ankleiden eng schlossen. Nichtsdestoweniger fühlte ich sie schon wieder
hochkriechen, ehe ich den General überhaupt sah.
    Ich hatte Clark drei Minuten vor
Konjews Ankunft auf den Stufen vor dem Hauptquartier zu treffen. Der General
war vor mir da, jeder Zoll ein Soldat, doch unglücklicherweise in Rock und
lange Hose gekleidet. Meine Feldbluse machte einen letzten Satz und endete
oberhalb des Magens. »Thayer, um Himmels willen, können Sie denn niemals...«
und so weiter.
    Die drei Minuten dehnten sich schier
endlos, doch schließlich erschien Konjew, General Clark stoppte seine
Kommentare über meinen Anzug, und wir setzten uns auf die Ehrenkompanie zu in
Bewegung. Der Marschall und der General schritten voran (ich pflegte sie meine
Minenräumer zu nennen), ihre Brust funkelnd im Glanz der Orden und Schärpen,
ich hinterher, vor der Brust eine zerknautschte Masse Eisenhower-Bluse.
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