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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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Übung im ehemaligen Ballsaal des Hauses. Auf dem
Parkettboden lag ein Haufen Planken, Seile, Klammern, Stäbe und Segeltuch. Das
Ganze sei ein Jungenszelt, wurde uns erklärend mitgeteilt.
    »Versuchen Sie mal, wie schnell Sie
das Zelt aufstellen können, ohne Nägel ins Parkett zu schlagen«, sagte einer
der Doktoren wohlwollend.
    In Sekundenschnelle hatte ich meine
Jacke abgeworfen und ließ auf meine psychoanalytischen Mitopfer eine Salve von
Anweisungen niederprasseln. »Hier, schnapp das Seil! Diese zwei Planken
befestigen! Da hinten feste ziehen!« In weniger als zwei Minuten stand das Zelt
fix und fertig da. Als wir am Abend das Haus verlassen wollten, bat mich der
Oberpsychologe in sein Büro.
    »Jim«, begann er, wurde aber prompt
von mir unterbrochen: mein Name sei »Thayer« oder höchstens »Charlie«, falls er
unbedingt familiär werden müsse.
    Der Doktor schaute etwas böse drein
und begann von vorn: »Hören Sie mal zu. Sie sind der am wenigsten
entgegenkommende Prüfling des ganzen Monats gewesen. Keine Spur von Mitarbeit!
Sie wollten kein Bridge spielen. Sie wollten nicht Schach oder Poker oder auch
nur Dame spielen. Nicht einmal höfliche Antworten auf höfliche Fragen waren aus
Ihnen herauszubekommen. Na schön, das ist schließlich Ihre Sache. Vielleicht
kommt Ihnen unsere Arbeit eben reichlich überflüssig vor. Was jedoch keiner von
uns begreift, ist, weshalb Sie sich auf unsere Aufforderung hin, mitten im
Ballsaal dieses alberne Jungenszelt zusammenzusetzen, kopfüber in fieberhafte
Tätigkeit stürzten und das Ding in Rekordzeit auf stellten.«
    »Doktor«, erwiderte ich, mich in die
Brust werfend, »Sie vergessen, daß ich 1923
Ost-USA-Pfadfinder-Jugend-Zeltbau-Champion gewesen bin! Meine kleine
Vorstellung heute nachmittag ist, verglichen mit der vor zwanzig Jahren in
Swarthmore, überhaupt nichts! Das hätten Sie sehen sollen!«
    Wie mein psychologischer Test bewertet
wurde, habe ich nie erfahren, aber ich kann’s mir denken. Donovan muß das
irgendwie übersehen haben, denn schon wenige Tage später wurde ich mit einer
Uniform, Majorsachselstücken und abermals einem neuen Spitznamen versehen und
angewiesen, mich auf der Fallschirmjäger-Schule zu melden. Dort hüpfte ich bald
munter aus den Fenstern des zweiten Stocks, wälzte mich fröhlich in schmutzigen
Sandhaufen oder bemühte mich redlich, langwierigen Ausführungen zu entnehmen,
wie man seinen Fallschirm hinter der feindlichen Kampflinie vergräbt.
    Und dann saß ich eines Nachts
zusammengekauert in einem umgebauten britischen Bomber, der irgendwo über
Nordengland seine Kreise zog. Alle meine Mitschüler waren bereits durch ein
Loch im Boden verschwunden. Meine Tagesabsprünge hatte ich schon absolviert,
und dies sollte nun die endgültige Nachtprüfung sein. Jeder erfolgte Sprung
hatte meine an sich schon schlechte Meinung über die Fallschirmspringerei nur
noch verschlechtert, und meine Moral ließ rapide nach.
    Neben mir im trüben Dämmer des
Flugzeugrumpfes machte der Absetzer die Reißleine an meinem Fallschirm fest und
zeigte mir das Ganze.
    »Da müssen Se ‘runter«, sagte er in
seiner greulichen Londoner Sprechweise.
    Ich schaute nach dem Rand der Luke und
gab mir Mühe, nicht in die Tiefe zu blicken, ich fürchtete, schwindlig zu
werden.
    Der
Absetzer murmelte einige belanglose Trostworte. »Sehen Se ruhig hin«, redete er
mir gut zu, »is nich sehr tief.«
    Mit
Wonne hätte ich ihn im Genick gepackt und aus dem Loch geworfen, wenn ich nicht
so verdammt viel damit zu tun gehabt hätte, mich mit dem komischen Gefühl in
meinem Magen zu beschäftigen.
    »Fertigmachen«, befahl der Londoner.
    Ich schwang die Beine in den Schacht
und arbeitete mich bis an den Rand des Loches vor.
    An der Wand neben mir flammte ein
rotes Licht auf.
    Die Dauer der nun folgenden Wartezeit
hätte ich, grob geschätzt, auf drei Tage veranschlagt. Jedenfalls gab sie mir
reichlich Gelegenheit zu einem umfassenden Überblick über meine Vergangenheit.
Fünfzehn Jahre zuvor hatte die Regierung es übernommen, mich zu erziehen. Vier
Jahre lang hatte ich mich tapfer mit der Militärkunst herumgeschlagen. Elf
weitere Jahre hatte ich alles nur Erdenkliche über Paßkunde und internationales
Recht gelernt. Die Gastronomie dreier Kontinente hatte meine Verdauung
ruiniert. Ich hatte — auf Kosten unzähliger Spitze und Kater — die Stärke
etlicher Dutzend Nationalgetränke ausprobiert. Ich hatte an den Ablativen,
Konjunktiven und dem Vokabular eines
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