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Der Sommer, der nur uns gehoerte

Titel: Der Sommer, der nur uns gehoerte
Autoren: Jenny Han
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    Â 
    Als ich noch klein war, haben meine Mom und ich uns mittwochabends immer alte Musicals angeschaut, darauf standen wir beide total. Manchmal sind mein Dad oder Steven reingekommen und haben eine Weile mitgeguckt, aber normalerweise waren wir zu zweit, meine Mom und ich, Mittwoch für Mittwoch. Dann haben wir es uns mit einer Decke und einer Schüssel Popcorn süß & salzig auf dem Sofa gemütlich gemacht. Wir schauten The Music Man, West Side Story, Meet me in St. Louis oder Singin’ in the Rain, das mir besonders gut gefiel. Aber keins von diesen liebte ich so sehr wie Bye Bye Birdie. Bye Bye Birdie war einfach einsame Spitze. Ich sah es mir immer wieder an, sooft meine Mutter es ertragen konnte. Wie Kim MacAfee wollte ich Wimperntusche und Lippenstift und Schuhe mit hohen Absätzen haben, vor allem aber sehnte ich mich nach jenem happy grown-up female feeling, von dem sie singt. Ich wollte Jungs auf der Straße pfeifen hören und wissen, dass sie mich meinten. Ich wollte endlich groß werden und genauso sein wie Kim, denn sie hatte all das schließlich bekommen.
    Wenn ich dann schlafen ging, sang ich den Badezimmerspiegel an, den Mund voller Zahnpasta: »We love you, Conrad, oh yes we do. We love you, Conrad, and we’ll be true.« Ich sang mit der ganzen Hingabe meines acht-, neun-, zehnjährigen Herzens. Aber ich sang nicht für Conrad Birdie. Ich sang für meinen Conrad. Conrad Beck Fisher, den Jungen meiner Träume, als ich noch nicht einmal ein Teenager war.
    In meinem ganzen Leben habe ich nur zwei Jungen geliebt – und beide hießen sie mit Nachnamen Fisher. Conrad war der erste, und ich liebte ihn so, wie man nur beim allerersten Mal lieben kann. Diese Liebe kennt nur die eine Art und will auch von keiner anderen wissen – sie ist überwältigend und dumm und macht schwindlig. Diese Art von Liebe kann es nur einmal geben.
    Und dann war da Jeremiah. Wenn ich ihn ansah, dann sah ich die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zugleich. Er kannte nicht nur das Mädchen, das ich einmal war. Er kannte auch die, die ich genau in dem Moment war, und er liebte mich trotzdem.
    Meine beiden großen Lieben. Ich glaube, ich wusste schon immer, dass ich eines Tages Belly Fisher sein würde. Nur dass es so geschehen würde, das wusste ich nicht.

1
    Wenn man mitten in den Prüfungen steckt und fünf Stunden am Stück gelernt hat, dann gibt es nur drei Dinge, die einem helfen, die Nacht zu überstehen: erstens der größte Cola-Kirsch-Slurpee, den man auftreiben kann, zweitens eine gemütliche Pyjamahose – und zwar eine, die so oft gewaschen wurde, dass der Stoff fast so dünn ist wie ein Kleenextuch – und drittens eine Runde Tanzen. Viele Runden. Wenn einem die Augen zufallen und man nur noch ins Bett will, ist Tanzen genau das Richtige.
    Es war vier Uhr morgens, und ich lernte für die letzte Prüfung meines Freshman-Jahres an der Finch University. Dafür kampierte ich in der Bibliothek meines Wohnheims, zusammen mit meiner neuen besten Freundin, Anika Johnson, und meiner alten besten Freundin, Taylor Jewel. Die Sommerferien waren so nah, dass ich sie fast schmecken konnte. Nur noch fünf Tage – schon seit April hatte ich sie gezählt.
    Â»Frag mich mal was«, kommandierte Taylor mit kratziger Stimme.
    Ich schlug meinen Block auf gut Glück auf. »Definiere die Begriffe Anima und Animus und grenze sie voneinander ab.«
    Taylor kaute an ihrer Unterlippe. »Gib mir einen Tipp.«
    Â»Hm – denk an Latein«, sagte ich.
    Â»Muss man für die Prüfung etwa Latein können?«
    Â»Nein, das sollte doch nur ein Tipp sein. Im Lateinischen ist -us die männliche Endung und -a die weibliche, also ist Anima der weibliche Archetyp und Animus der männliche. Kapiert?«
    Taylor stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nein. Ich fall garantiert durch.«
    Anika sah von ihren Unterlagen auf. »Vielleicht nicht, wenn du mal aufhören würdest, SMS zu schreiben, statt zu lernen.«
    Taylor funkelte sie an. »Ich plane mit einer meiner Verbindungsschwestern unser großes Frühstück zum Ende des Collegejahres, und heute Nacht hab ich Rufbereitschaft.«
    Â»Rufbereitschaft?« Anika sah amüsiert aus. »Wie ein Arzt?«
    Â»Genau, wie ein Arzt«, blaffte Taylor sie an.
    Â»Und, was soll es dann geben – Pfannkuchen oder Waffeln?«
    Â»Französischen Toast,
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