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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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Ich werde Soldat
     
     
     
    An einem heißen Sommermorgen im Jahre
1929 durchschritt ich zum erstenmal das Kasernentor von West Point. In diesem
Augenblick übernahm — höchst leichtfertigerweise — die US-Regierung meine weitere
Ausbildung. Was während der nun folgenden Stunden und Wochen mit mir geschah,
habe ich so recht nie auseinanderhalten können. Zwar erinnere ich mich
verschwommen an eine Horde von älteren Kadetten oder »Brotsäcken«, die mich
anraunzten und sich die Stimmen heiser brüllten, aber was sie eigentlich von
mir wollten, ist mir bis heute schleierhaft geblieben. Einige verlangten, ich
solle meinen Koffer aufnehmen, andere, ich solle ihn hinsetzen. Einige wollten
mich laufen sehen, andere langsam marschieren, und wieder andere wünschten, daß
ich stocksteif Stillstand, Kinn auf dem Adamsapfel, Schulterblätter beinahe
zusammengefaltet. Das sei Disziplin und außerordentlich bekömmlich, wurde uns —
den »Schnappsäcken« — mitgeteilt. Aber schon nach lumpigen dreihundertsechzig
Tagen schüttelten uns die alten Kadetten die Hand und sagten, nun seien wir
»aufgenommen« und brauchten sie nicht mehr mit »Herr« anzureden. Wir waren
schrecklich froh darüber und warteten begierig auf den Einmarsch des nächsten
Kadetten-Jahrgangs durchs große Tor, damit nunmehr wir über ihn herfallen
durften.
    Genau fünfzehn Jahre später zwang mich
Uncle Sam wieder in meine ursprüngliche Soldatenlaufbahn zurück. Diesmal führte
der Weg durch die Bodenluke eines umgebauten Bombers in eine pechschwarze und
nicht sehr verlockende Nacht irgendwo über Nordengland. Ich landete mit einem
Bums auf einer harten Kuhweide, etwas benommen, doch mit mir und meinem
Fallschirm höchst zufrieden. Man bescheinigte mir, daß ich nun »Fallschirmjäger
Dritter Klasse« sei, und teilte mich General Bill Donovan als ausgebildeten
Agenten zu. Seit dieser Zeit suche ich vergebens jemanden, der »Fallschirmjäger
Vierter Klasse« ist. Offensichtlich wird eine Bescheinigung darüber nur posthum
ausgestellt.
    Doch zurück zum Anfang. Alle Leute
fragen danach, warum man West Point absolviert hat, wenn man doch in den
diplomatischen Dienst wollte. Einige Exkadetten antworten, sie seien nach West
Point gegangen, weil sie Soldaten werden wollten; andere sagen, die dortige
Erziehung habe sie gereizt; wieder andere werden in schöner Offenheit zugeben,
daß sie nur den einzigen Wunsch hatten, in der Armee-Fußballmannschaft zu
spielen. Auf mich persönlich — fürchte ich — paßt keine dieser Antworten.
    Seit meinem achten Lebensjahr habe ich
ununterbrochen mit irgendwelchen Staatsstellen geliebäugelt. Zuerst wollte ich
zur Polizei oder zur Feuerwehr, dann kam die Marine an die Reihe, dann die
Armee und endlich der diplomatische Dienst. Bei dieser Neigung sollte der
Staat, wenn er wollte, ruhig meine Erziehung übernehmen. Darüber hinaus aber
gab es noch einen weiteren, ebenso zwingenden Grund — nämlich Fußball. Nicht
etwa, daß ich mitspielen wollte. Ganz im Gegenteil!
    Etliche Jahrzehnte hindurch hatten
meine Onkel, mein Vater und mein Bruder die Universität von Pennsylvanien
besucht, wo sie die Fußballmannschaft angeführt, in verschiedenen
hochfavorisierten Spitzenteams geglänzt und sich überhaupt der Rolle von
Fußballheroen erfreut hatten. Doch schon auf der Schule machten meine
Sportlehrer und ich eine Entdeckung, die, obwohl nicht von öffentlichem
Interesse, für mich persönlich jedoch ungemein wichtig wurde: Ich war kein
Fußballspieler! Drei Jahre lang gehörte ich der letzten Schulmannschaft an und
wurde im vierten sogar Kapitän, freilich nicht wegen sportlicher Heldentaten,
sondern wegen überwältigender Seniorität. Die Sportlehrer waren nicht schuld
daran. Sie erinnerten sich an meinen Vater, Onkel, Bruder etc. und hatten
getan, was sie konnten, um das ihrer Überzeugung nach in mir schlummernde Fußballtalent
zu wecken. Nach Jahren harten Ringens jedoch schüttelten sie trostlos ihre
Häupter und gaben bekümmert zu, daß ich mich keineswegs plangemäß entwickelte.
    So war ich, als meine Collegezeit
heranrückte, in einem Punkte eisern entschlossen: Ich würde nicht Fußball spielen oder auch nur versuchen, Fußball zu spielen! Und schon gar
nicht würde ich die pennsylvanischen Trainer auf Kosten meiner Gesundheit und
meiner guten Laune mit mir herumexperimentieren lassen, bis auch sie
entdeckten, was ich unter so vielen Schmerzen gelernt hatte: daß ich nicht Fußball spielen konnte !
    Ergo
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