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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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der
Schreibstube mußte im letzten Moment noch schnell die Listen kontrolliert haben
und entdeckte dabei, daß ich der Akademie etwa siebenundneunzig Stunden auf dem
Kasernenhof schuldete. Man rief mich herein und verhörte mich peinlichst wegen
des geringfügigen Kontoüberzuges. Ich wies darauf hin, daß selbst am morgigen
Festtag ein Polospiel stattfinden werde. Die Saison sei also immer noch nicht
beendet, und die Regel bestünde weiter. Außerdem blieben bis zu den
Abschlußfeierlichkeiten nicht einmal mehr vierundzwanzig Stunden. Wie sollte
ich siebenundneunzig Stunden in weniger als vierundzwanzig Stunden quetschen?
Der eklige Wichtigtuer sah zwar die Logik meiner Argumente ein, doch
registrierte er die Schulden sorgfältig in meinen Akten. Vermutlich kann ich
also, wenn ich pensioniert werde, nach West Point gehen, mir eine Knarre pumpen
und mein Konto ausgleichen.
    Bei all diesem verwirrenden
Durcheinander gab es einen großen Trost: Es würde nicht ewig dauern! Sobald ich
Offizier war und diese »heiligen Hallen« verlassen hatte — das schwor ich mir
immer wieder — , würde ich nie mehr: meine Schuhe putzen, meine Hosen bügeln,
meine Schultern zurücknehmen, Schritt halten, die Flecken vom Besatz entfernen
(falls ich, was sehr unwahrscheinlich war, überhaupt einen Besatz haben sollte)
oder pünktlich zum Antreten erscheinen. Mein Tag würde schon kommen!
    Er kam, zwölf Jahre später in Wien.
Der Krieg war zu Ende, aber ich war vorübergehend als Dolmetscher für General
Mark Clark wieder zur Armee abkommandiert. Die alliierten Marschälle und
Generale feierten sich gegenseitig unaufhörlich mit Paraden, Ehrenkompanien und
Banketten. Zu meinen Pflichten als Dolmetscher gehörte es, den General zu allen
Zeremonien zu begleiten, an denen seine russischen Kollegen teilnahmen. Eines
Tages besuchte er mit seinem Stellvertreter, General Al Gruenther, seinem
politischen Ratgeber, Jack Erhardt, seinem Adjutanten, seinem Fotografen, seiner
Ordonnanz und mir den Marschall Konjew in seinem Hauptquartier in Baden bei
Wien. Die Geschäfte wurden mit der für General Clark charakteristischen
Geschwindigkeit erledigt, und ehe wir uns recht versahen, steckten wir schon
mitten in einem der üblichen interalliierten Bankette. Es war noch während
jener Periode kurz nach der deutschen Übergabe, in der jeder Offizier und
Soldat seinen entscheidenden Anteil am Sieg dadurch zu beweisen glaubte, daß er
seine Verbündeten unter den Tisch trank. General Clark glaubte zwar nicht, er
müsse genausoviel trinken können wie alle anderen Versammelten, aber er glaubte
an die Notwendigkeit, die Form zu wahren. Ich hatte dafür zu sorgen, daß sein
Wodkaglas jedesmal mit Wasser gefüllt wurde. Nun habe ich aber keine sehr
geschickten Hände, und die einzig mögliche Methode, General Clark
vorschriftsmäßig mit Wasser zu versorgen, bestand darin, daß ich mein eigenes
Wodkaglas gleich nach dem Einschenken austrank, es mit Wasser füllte, gegen
Clarks Wodka austauschte und diesen ebenfalls trank, ehe ein scharfsichtiger
Sowjetgeneral das Manöver durchschaute. Die Einzelheiten jener Nacht in Baden
können wir überschlagen. Wir müssen sie sogar überschlagen, denn aus
irgendeinem dummen Grund läßt mich mein Gedächtnis an diesem Punkt immer im
Stich.
    Am nächsten Morgen wurde ich im ersten
Frühdämmer unsanft aus meiner Koje gezerrt. General Clark habe die
Herausforderung zu einem Schwimmwettkampf mit Marschall Konjews Stellvertreter,
General Scholtow, angenommen, teilte man mir mit. Das Wettschwimmen fände im
Schwimmbad in Baden statt.
    Sterbensübel schleppte ich mich hinter
Clark zum Bassin hinunter, das nach den stolzen Versicherungen der Sowjets
hundert Meter lang war. Die konkurrierenden Generale hatten sich bald umgezogen
und trabten am Rande des Schwimmbassins auf und ah, wie zweijährige Rennpferde
im Sattelplatz in Saratoga. Dann erblickte mich Clark im Hintergrund.
    »Vorwärts, Thayer! So beeilen Sie sich
doch um Gottes willen! Ziehen Sie schleunigst die Badehose an!« (Schon wieder
falsche Uniform.)
    »Aber, Herr General, ich will ja gar
nicht schwimmen — zumindest nicht heute morgen
    »Ach, verdammt, hören Sie auf zu
quatschen! Haben Sie mich verstanden?«
    Ich
bin kein besserer — vermutlich sogar ein etwas schlechterer— Schwimmer als
Fallschirmjäger, Fußballer oder Skiläufer. Mein Stil soll zwar so übel nicht
sein, aber mein Tempo ist beklagenswert. Doch — General Clark war General Clark
und
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