Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
Vom Netzwerk:
Familie
rehabilitierte. Aber es war ein »kleiner«, kein »großer« Schein, der annähernd
mit einer »Dritte-Klasse-Fallschirmspringer«-oder einer
»Dritte-Klasse-Skiläufer«-Bescheinigung übereinstimmte.
    Obgleich Fußball und Polo in jenen
frühen Tagen meine Hauptsorge waren, wurden wir nebenbei noch mit einer Anzahl
mehr oder weniger unerfreulicher Pflichten muntergehalten. Man versuchte, uns
Marschieren, Exerzieren, Bettenbauen und den Waffengebrauch beizubringen, und
quälte uns zugleich mit einer lärmenden Form von Disziplin, die zwar schnelle
Resultate hervorbrachte, jedoch lebhafte Zweifel am Geisteszustand unserer
Lehrmeister in uns wachrief. Sie bestand hauptsächlich aus ohrenbetäubendem
Gebrüll der Ausbilder und heilloser Konfusion bei den »Schnappsäcken«. Wurde
die Verwirrung bei einem »Schnappsack« zu groß, so war er »zurückgeblieben«,
war sie nicht groß genug, so galt er als »vorwitzig« — und das war noch
schlimmer! Nach und nach lernten wir freilich, uns auf dem goldenen Mittelweg
zu halten, und als im Herbst der Lehrgang auf der Akademie begann, waren wir
gegen den polternden Wortschwall unserer Vorgesetzten weitgehend immun —
obgleich wir es nicht zeigen durften.
     
    Ich will nicht gerade behaupten, der
Lehrplan von West Point sei ausgerechnet auf die Vorbereitung zum
diplomatischen Dienst abgestimmt. Letzten Endes soll der Diplomat schwelgen, wo
der Soldat vegetiert — wenn es nicht gerade umgekehrt ist. Der Kursus bestand
zur Hauptsache aus Mathematik und deren verschiedenster Anwendung auf Physik,
Ballistik und Pionierdienst. Ihre Anwendungsmöglichkeiten auf die Diplomatie
blieben lange Zeit hindurch unklar, doch schließlich bewiesen
Differentialrechnung und Rechenschieber ihre Unentbehrlichkeit sogar in der
verfeinerten Atmosphäre einer Botschaft.
    Gute zehn Jahre nach dem letzten Blick
auf eine Logarithmentafel war ich in Afghanistan mit der Einrichtung einer
neuen Botschaft beschäftigt. Als Wohnung für den zukünftigen Botschafter hatte
man uns ein schönes Steinhaus angewiesen, doch waren keine ordentlichen Büros
vorhanden. Viele der in Afghanistan angestellten ausländischen Techniker und
Architekten waren wegen des Krieges in ihre Heimat zurückgekehrt. Die
verbleibenden Fachkräfte hatten infolgedessen wesentlich lebenswichtigere
Funktionen zu versehen, als den Amerikanern ihre Raumsorgen abzunehmen. So
dauerte es nicht lange, bis mein West-Point-Zeichenbrett aus dem Koffer gezogen
wurde und ich mit Reißschiene und Lineal die wohl einzige Kanzlei des US
Foreign Service entwarf, deren Architekt ein Legationssekretär ist. (Zufällig
hat das Büro des Legationssekretärs die bei weitem schönste Aussicht und ist
das größte und bequemste der ganzen Kabuler Botschaft.)
    Doch dann entstand ein neues Problem.
Die Wohnung des Botschafters enthielt ein riesiges Speisezimmer, über dem sich
im zweiten Stock ein Schlafzimmer von gleichem Umfang befand. Selbst für den Geschmack
eines wahren Fürsten unter den Botschaftern war es ein bißchen zu groß. Wir
entschlossen uns kurzerhand, es in zwei Räume aufzuteilen. Ortsansässige Maurer
bauten im Handumdrehen eine gute, solide Ziegelmauer mitten hindurch. Peinlich
war nur, daß wir weder das Gewicht der Steine noch die Stärke der hölzernen
Balken in der Speisezimmerdecke in Rechnung gezogen hatten. Bald schon bot die
Decke einen leicht überanstrengten Eindruck. Sie sackte durch. Dicke Risse
entstanden. Alle waren sich einig, daß die hübsche neue Teilungsmauer oben bald
im Speisezimmer unten landen werde, falls nicht umgehend etwas geschah. Da aber
keine Architekten oder Ingenieure zu bekommen waren, mußten der Hauswirt und
ich uns wieder allein dem Problem gewachsen zeigen. (Zufällig war der Hauswirt
im Nebenberuf Kriegsminister. Später wurde Seine Königliche Hoheit Schah Mahmud
Khan Afghanistans Premierminister.) Ich schlug vor, einen Stahlträger
einzuziehen. »Einen Stahlträger in Kabul?« fragte Seine Königliche Hoheit
entsetzt, »ja, wo sollen wir den herholen?«
    Sein Majordomus, ein pfiffig
dreinschauender Bursche namens Ahmed Jan, dessen Findigkeit größer war als
seine Schulbildung, fiel ihm ins Wort:
    »Ich werde Ihnen einen Eisenträger
besorgen. Kleinigkeit! Warten Sie nur ein paar Minuten.«
    Ahmed Jan verschwand im Wagen Seiner
Königlichen Hoheit und tauchte eine knappe halbe Stunde später wieder auf.
Hinter sich her schleppte er etwas, das zweifellos nach einem Unterzug aussah.
Bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher