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Macht nichts, Darling

Macht nichts, Darling

Titel: Macht nichts, Darling
Autoren: Mary Scott
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    »Macht nichts, Darling!« rief Sally vergnügt.
    Alles stimmte in ihr Lachen ein, denn sie war — ziemlich überraschenderweise — der Mittelpunkt der Party geworden. »Warum haben wir die nicht schon früher kennengelernt?« fragten sich die Leute im Flüsterton. »Wo hat sie sich bisher versteckt?«
    Die Antwort war sehr einfach: auf einer kleinen Farm, zwanzig Meilen von hier entfernt. Übrigens hatte sie sich durchaus nicht »versteckt«, sondern war der eleganten Schar, die heute abend Alice Moores Haus füllte, lediglich nicht ins Blickfeld geraten. Dazu hatte sie in den drei Jahren seit dem Tod ihres Vaters zu schwer arbeiten müssen und kein Geld für hübsche Kleider übriggehabt. Trotzdem war sie immer lustig, oder doch meistens, mit Ausnahme der trüben Abrechnungsstunden. Aber das alles hatte sie auf der Party ihrer Freundin Alice in den Hintergrund verbannt. Sally war der Meinung, daß man gar nicht erst auf eine Party zu gehen brauchte, wenn man dort nicht unbeschwert heiter sein wollte.
    Augenblicklich wurde sie beinahe von den Zärtlichkeiten eines riesigen Labrador-Hundes erdrückt, der nach dem Urteil der Freunde ein kompletter Spleen ihrer Gastgeberin war.
    »Setz dich endlich, Alister«, mahnte Alice mit ihrer sanften Stimme. »Du hinterläßt Pfotenabdrücke!« und ihr Mann, Dr. Trevor Moore, wandte sich mit der rhetorischen Frage an die ganze Gesellschaft: »Was ist dem bloß in die Krone gefahren? Wir haben doch extra einen Labrador gekauft, weil diese Rasse angeblich die gute Eigenschaft hat, nicht an den Leuten hochzuspringen.«
    »Aber Trevor, Alister ist doch ein Sonderfall!« sagte Alice vorwurfsvoll. Dies, dachten ihre Freunde, traf leider zu. Alister mußte von einem Dämon besessen sein, denn welcher ausgewachsene Hund schleppte sonst noch Schuhe weg, zernagte Gummischläuche, trug Harken in seinen Korb und benahm sich ganz allgemein wie ein Enfant terrible?
    Und nun hatte er eine Pfote liebevoll auf Sallys einziges Abendkleid gestützt, um ihr begeistert das Gesicht abzulecken. Sally nahm es ihm nicht weiter übel. Alister mochte sie, das war ihr die Hauptsache, weil seine Herrin Alice schließlich ihre beste Freundin war. Außerdem hatte Sally Hunde gern. Sie liebte auch Katzen, Pferde, Vögel, Kühe und Mitmenschen, alle ein bißchen unüberlegt und summarisch, was zur Folge hatte, daß alle Tiere und die meisten Menschen ihre Zuneigung erwiderten.
    Die Party machte Sally enormen Spaß. Alice Moore war vor einem Vierteljahr frischverheiratet in die Stadt gezogen, wo sie mit offenen Armen aufgenommen wurde. Sally hatte dort keinen Freundeskreis. Wer wußte denn etwas von einem Mädchen, das auf einer abgelegenen, reichlich heruntergekommenen Farm herumwirtschaftete? Gegen Alices Einladung hatte sie eingewendet, sie kenne doch keinen Menschen, worauf Alice nur entgegnet hatte: »Gerade deshalb mußt du kommen. Ich gebe meine erste Party nicht ohne dich. Höchste Zeit, daß du ein paar Leute kennenlernst!«
    Nun war sie also da und hatte ungeahnten Erfolg, und es schmälerte ihre Freude nicht im geringsten, daß Alister ihr einziges anständiges Kleid ruinierte.
    Hugh Davenport, der sie von weitem beobachtete, war über die Aufmerksamkeit, die sie erregte, erstaunt und ein ganz klein wenig verärgert. Eigentlich hatte er sie selbst in die städtische Gesellschaft einführen wollen, aber natürlich stufenweise und mit Vorsicht. Es würde seine Zeit brauchen, hatte er gedacht, bis man Sally akzeptierte — dieses nur allzu natürliche und unbekümmerte Wesen, dem die wichtigsten Voraussetzungen wie Geld, noble Herkunft oder wenigstens auffallende Schönheit völlig mangelten. Als aufstrebender Rechtsanwalt mußte er seine Schritte in dieser ziemlich konservativen Stadt reiflich überlegen, aber wenn er Sally geduldig anleitete, würde es schon gehen. Und nun hatte Alice sie statt seiner einfach mitten in die Gesellschaft gestellt und damit einen Knalleffekt erzielt.
    Sally selbst amüsierte sich ganz unverhohlen und unbefangen. Als sie Hugh Davenports Blick auf sich fühlte, lächelte sie ihm warm zu. Sie freute sich, daß er sie ausnahmsweise einmal in einem hübschen Kleid sah anstatt in dem schäbigen Kostüm, das sie bei den Besprechungen in seinem Büro zu tragen pflegte, oder gar in der jämmerlichen Arbeitskluft, in der sie zu Hause herumlief. Er kannte sie schon seit sechs Monaten, seit er ihre Angelegenheiten von seinem Seniorpartner übernommen hatte, aber er hatte sie
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