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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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plante ich, stillheimlich mit der
Pennsylvania-Fußballtradition zu brechen und mich unauffällig nach West Point
zu verdrücken. Doch ich hatte nicht mit der Fußballausbildung der Armee
gerechnet. Wir waren knapp eine Woche im »Affenkasten«, als auch schon die
gesamte Anfängerklasse auf den Fußballplatz getrieben wurde, um zu zeigen, was
sie konnte. Ich erklärte dem diensthabenden Offizier so höflich wie nur
möglich, ich glaubte, sie verschwendeten nur ihre Zeit an mich. So unhöflich
wie nur möglich wurde mir erwidert, wer zum Fußballspiel tauge und wer nicht,
würden die Trainer feststellen. Ganz wenige Stunden »Affenkasten« sind
erforderlich, einem beizubringen, daß man mit Vorgesetzten besser nicht
diskutiert. Ich zuckte also im Geiste meine Schultern, rannte in Steilvorlage
und griff mutig einen Kraftprotzen aus dem Mittelwesten an. Er traf mich mit
dem Knie am Ohr. Der Trainer schaffte es, mich in wenigen Minuten wieder zur
Besinnung zu bringen. Dann befahl jemand dem Kadetten Thayer, eine Paßvorlage
zu schnappen. Ich rannte, so schnell ich konnte, doch die Paßvorlage schnappte
mich und landete elegant, aber schmerzvoll mitten in meinem Gesicht. Während
ich mich langsam wieder aufrappelte, meinte ein optimistischer Trainer:
»Vielleicht ist er ein Läufer.« Man gab mir einen Ball, und elf biedere
Mitschüler der anderen Mannschaft stürzten sich auf mich, ehe ich überhaupt
angefangen hatte zu laufen. Schließlich wurden die Beweise überwältigend, und
der diensthabende Offizier sagte, ich könne es am nächsten Tag mit Schlagball
»versuchen«.
    Während ich ein, zwei Wochen lang die
Runde über sämtliche Sportanlagen machte, zerbrachen sich die Sportlehrer die
Köpfe darüber, wohin ich denn wohl paßte. Gefragt wurde ich natürlich nicht.
Das wäre zu einfach gewesen. Schlagball, Basketball, Hockey, Boxen, Ringen —
ich »versuchte« alles.
    Und dann verlas der Adjutant eines
Tages in der Messe unter anderem: »Kadett Thayer hat sich heute nachmittag bei
der Fußball-Abteilung zu melden.« Voll düsterer Ahnungen zog ich die
Fußballkluft an und marschierte auf den Platz hinaus. Inzwischen war aus den
Mannschaften alles Schwächliche, Untaugliche ausgemerzt worden, und die
durchschnittliche Kraft, Energie und Wirksamkeit der Gruppe hatte sich
entsprechend erhöht.
    Einer
der unteren Trainer schnauzte mich an: »Sind Sie irgendwie mit dem
Fußballmeister vom vorigen Jahr verwandt?« Ich gab es zu, begann jedoch hastig
zu erklären, daß mein Bruder das Familienfußballtalent allein geerbt habe. Der
Trainer unterbrach mich kurzangebunden: »Gehen Sie da unten ‘rüber und sehen
Sie mal zu, was Sie machen können.«
    Ich ging, und einige Minuten lang war
alles, was ich machen konnte, mich von irgendeinem energiesprühenden Verbindungsläufer
über den Haufen rennen zu lassen. Dann machte zur Abwechslung mal einer auf der
Gegenseite was falsch, und ich sah mich urplötzlich Backe an Backe mit dem
Mann, der den Ball hielt. Mit dem Mute der Verzweiflung griff ich ihn an, doch
hatte er auf einmal unbegreiflicherweise seine Hand auf meinem Kopf, knallte
ihn gegen sein hochschießendes Knie, rannte um meine Leiche herum und startete
einen pfundigen Schuß. Man schleppte mich vom Platz, begoß mich mit Wasser und
riet mir, ein paar Minuten auszuruhen. »Pech«, sagte der Sportlehrer tröstend.
Offenbar glaubte er immer noch, eine Entdeckung gemacht zu haben, und duldete
es nicht, daß meiner Fußballkarriere auch nur das geringste im Wege stand.
    Seither bin ich verschiedentlich auf
diesen Typ gestoßen. Im Iran zum Beispiel gab es einen Professor, der mir
versicherte, wenn ich bloß lernte, in der richtigen Reihenfolge — nämlich von
rechts nach links — zu lesen, könne er mir spielend Persisch beibringen. (Er
hat es nie gekonnt.) Und in Cortina war ein italienischer Skilehrer, der,
nachdem er mich in rasanter Geschwindigkeit den Übungshang hatte hinuntersausen
sehen, feststellte, ich sei ein vielversprechendes Skitalent. Er hatte dabei
übersehen, daß ich es nur deshalb so eilig hatte, weil ich nicht stoppen
konnte. So nahm er mich also gleich mit seiner Meisterklasse auf eine Skitour
in die Hochdolomiten mit. Als ich etliche Stunden später aus blutbespritztem
Schnee gebuddelt wurde, befand ich mich am Fuß des Berges. Nach reichlicher
Erster Hilfe konnte ich sogar wieder sitzen und etwas kräftigende Nahrung in
Form eines doppelstöckigen Whiskys zu mir nehmen. Und der Skilehrer erwies
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