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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
Autoren: Virginia Ironside
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Alt zu werden war für mich bis vor kurzem immer etwas Furchterregendes, etwas, das es um jeden Preis zu vermeiden galt. Die A ussicht, einmal sechzig zu werden, war schrecklich, vor allem wenn man an diesen herablassenden Beatles-Song » When I’m sixty-four« denkt. Man hat den Eindruck, dass Menschen in diesem A lter nichts anderes mehr tun als Sicherungen auswechseln, Pullis stricken und den Garten umgraben.
    Um ehrlich zu sein, hatte ich schon immer einen Horror vor der zweiten Hälfte jedes Lebensjahrzehnts. Einunddreißig zu werden oder einundvierzig, das hat mir nie was ausgemacht, neununddreißig und neunundvierzig aber schon. A us einer jungen Dreißiger- oder V ierzigerin war plötzlich eine alte Dreißiger- oder V ierzigerin geworden. A ls ich neunundfünfzig wurde, hatte ich allerdings so ganz und gar nicht mehr das Gefühl, dass aus mir alter Fünfzigerin in ein, zwei Jahren auf wundersame W eise eine jugendfrische Sechzigerin werden würde.
    W ie Doris Day war auch ich der Überzeugung, dass » das Schlimmste am mittleren A lter ist, dass man auch das irgendwann hinter sich lassen muss«.
    Eine achtzigjährige Bekannte von mir hat es auch nicht gerade besser gemacht, als sie stöhnte: » Gott, diese zwei fetten Kugeln, die aufeinanderkleben, und darauf noch so eine faltige Kugel. Einfach grotesk.«
    Sechzig ist natürlich etwas ganz anderes als achtzig – keine Frage. Dennoch fand ich es, gelinde gesagt, irritierend, wie meine Freunde und Bekannten auf meinen bevorstehenden sechzigsten Geburtstag reagierten. A uf einmal spitzten sie die Münder und wurden unheimlich mitfühlend. » Du A rme!«, riefen sie aus und flüsterten verschwörerisch: » Man sieht’s dir aber gar nicht an!« hinterher. A uf diesen Trost folgte gewöhnlich: » Keine Sorge, Darling , wir verraten nichts! Gib aber um Himmels willen bloß keine Party, ja? Es muss ja nicht gleich jeder erfahren, wie alt du bist!«
    Tatsächlich versuchen nicht wenige meiner Freunde dem unangenehmen Prozess des A ltwerdens einen jugendlichen Zuckerguss zu verleihen. » Sechzig! Da hat man doch noch das ganze Leben vor sich!«, zwitschern sie fröhlich. W as für ein Blödsinn! Das Einzige, was man, wenn man Glück hat (oder Pech, je nachdem, wie man es nimmt), noch vor sich hat, sind die siebzig oder die achtzig.
    Andere sagen: » Sechzig, das ist eigentlich fünfzig plus zehn!« Oder: » Die Sechziger sind die neuen V ierziger.« A lso ehrlich, ich begreife das nicht. Man behauptet doch auch nicht, dass » das Meer das neue Land ist« oder » das Leben der neue Tod« (wahlweise auch umgekehrt).
    Dann gibt’s da noch die Fraktion der munteren Oldies, die behaupten: » Man ist nur so alt, wie man sich fühlt!« A ber man ist eben nicht nur so alt, wie man sich fühlt. Das klingt jetzt vielleicht ziemlich pedantisch, ja geradezu nach A sperger, aber sechzig ist nun mal sechzig, und dreißig ist dreißig. Die Einzigen, die einen Sechzigjährigen für jung halten, sind Siebzig-, A chtzig- oder Neunzigjährige– mit anderen W orten: die Tattergreise unter unseren Zeitgenossen.
    Wie auch immer– als ich zwanzig war, kam mir sechzig jedenfalls ungeheuer alt vor. Und als ich dreißig wurde, hatte ich das Gefühl, dass man mit sechzig schon mit einem Bein im Grab steht. Mit vierzig interessierten mich Senioren nicht die Bohne– einschließlich der » jungen« Sechzigjährigen. A ls ich fünfzig wurde, fing ich an, mir allmählich Sorgen zu machen– ohgottohgott, langsam wurde ich ja wirklich ein wenig alt…
    Und jetzt, wo ich selbst sechzig bin (fünfundsechzig, um genau zu sein– wie Sie sehen, beschönige ich nichts), kann ich doch nicht einfach sagen: » Ups, da hab ich mich irgendwie total geirrt! Die ganze Zeit habe ich gedacht, dass man mit sechzig alt sei, dabei stimmt das gar nicht! In W ahrheit ist man noch total jung ! Da habe ich doch tatsächlich mein Leben lang an W ahnvorstellungen gelitten.« Nein, das wäre meinem früheren Ich gegenüber unfair.
    Manchmal frage ich mich, ob diese V erleugnung des A ltwerdens nicht einfach eine altmodische Sicht der Dinge ist? Ich werde nie meine gute alte Kummerkasten-Freundin vergessen, die mittlerweile leider verstorben ist. » Ich verrate nie, wie alt ich bin«, meinte sie zu mir, » das geht niemanden etwas an, außer mich selbst.«
    Geheimniskrämerei liegt mir aber so ganz und gar nicht. Und wenn ich die ganze Zeit krampfhaft versucht hätte, mein A lter zu verbergen – wäre es dann nicht
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