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Im Schattenreich des Dr. Mubase

Im Schattenreich des Dr. Mubase

Titel: Im Schattenreich des Dr. Mubase
Autoren: Stefan Wolf
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1. Zusammenbruch
     
    Der Tod fuhr mit — unsichtbar für alle.
Eugen Flunzl hätte es wissen müssen. Aber der hatte sein Gehirn abgeschnallt
und nur maßlosen Ehrgeiz im Gepäck — den Ehrgeiz, Tim zu besiegen.
    Herbstsonne vergoldete die Landschaft.
Sträucher und Laubbäume hatten sich bunt gefärbt. Die Zugvögel waren schon vor
Wochen abgereist und schickten jetzt Postkarten aus Sardinien und Afrika.
    Heute war Freitag. Und für den IRC ein
heißes Datum.
    Wie jedermann weiß: IRC bedeutet
Internats-Radrenner-Club. Für die Besten der Radler-Gilde war heute die große
Prüfung angesagt: das Rennen um den ROHRPFEIFER-See.
    Dieses schöne Gewässer, auf dem im
Sommer Surfer und Segler durchs Wasser pflügen, ist einige Kilometer lang und
etwas weniger breit. Eine Umrundung mißt ziemlich genau 7200 Meter. Für das
Rennen waren fünf Umrundungen zu fahren.
    Die IRC-Funktionäre — Peter Krabskraus
und Detlef Vielesorgen — hatten für Start und Ziel den Bootsschuppen beim Dorf
festgelegt. Dieses Dorf heißt Rohrpfeiferhausen, besteht aus neun Häusern und
liegt in der Nordbiegung des Sees.
    Das Rennen hatte pünktlich begonnen. 22
Radrenner wurden auf die Strecke geschickt. Tim — den man früher Tarzan genannt
hat — galt als Favorit. Gehört doch — neben Volleyball und fernöstlichem
Kampfsport — Radrennen zu seinen bevorzugten Hobbies.
    Seit 32 Minuten lief jetzt das Rennen.
Und längst hatten sich die beiden Besten — Tim und Eugen Flunzl — vom Feld der
übrigen abgesetzt.
    Etwa 600 Meter betrug ihr Vorsprung,
als sie sich — mit einem Affenzahn und brennenden Waden — der Mubase-Klinik
näherten.
    Auch die liegt am See, am Westufer,
schirmt sich ab mit einer hohen, weißen Mauer und hat den Spitznamen
Hunger-Burg. Weil Übergewichtige dort fasten können unter ärztlicher Aufsicht.
    Verdammt! dachte Tim. Ist der
wahnsinnig? Oder habe ich Tropenfieber im Knochengerüst?
    Eugen Flunzl spurtete seit sechs
Minuten. Sein Tempo war höllisch und wurde immer höllischer. Mehr und mehr
hängte der Zweitbeste den Favoriten ab. Schon jetzt war Eugen acht Radlängen
voraus, und sein Vorsprung wuchs unaufhaltsam.
    Tims Knie zitterten. Weiße Flecke
tanzten vor den Augen. Im Magen war’s kodderig, und die Lungen schmerzten. Aber
der TKKG-Häuptling gab nicht auf. Tief über den Lenker gebeugt, versuchte er
aufzuholen. Doch Eugen war schneller.
    Neun Radlängen Vorsprung.
    Der putzt mich weg!
    Tim begriff die Welt nicht mehr.
Fünfmal hatte er Eugen Flunzl geschlagen. Auch beim gemeinsamen Training hatte
dessen Leistung nicht an Tims Tempo herangereicht. Was war los?
    Zehn — nein — elf Radlängen Vorsprung.
Mindestens!
    Tim starrte durch die flimmernden
Bilder nach vorn.
    Die Uferstraße wand sich landeinwärts,
führte an der Mubase-Klinik vorbei, um sich dann wieder — durch Schilf und Ried
— dem Ufer zu nähern.
    U-förmig umgibt die hohe, weiße Mauer
das Klinik-Gebäude. Die offene Seite ist das Seeufer. In Höhe der Eisentore
liegt ein Parkplatz an der Straße — groß genug für 30 Fahrzeuge, für Besucher
der Klinikpatienten.
    Jetzt belagerten Zuschauer den
Parkplatz. Die halbe Schule war da. Gaby, Karl und Klößchen standen in der
ersten Reihe.
    Und alle — Tim keuchte — sehen meine
Blamage! Wieso — die Beine fühlten sich an wie Blei — halte ich nicht mit? Bin
doch... nicht langsamer... als sonst.
    Zwölf Längen Vorsprung!
    Eugen zischte am Parkplatz vorbei.
    Aus 200 Kehlen stieg anfeuerndes
Gebrüll.
    Nur Gaby, Karl und Klößchen schienen zu
erstarren.
    Das gab’s doch nicht! Flunzl in Führung!
Tim wurde niedergekämpft wie ein Anfänger!
    Der TKKG-Häuptling spürte: Länger
konnte er dieses Wahnsinns-Tempo nicht durchhalten. Sonst explodierte die
Lunge, oder die Beine fielen ab.

    In diesem Moment geschah es.
    Eugen Flunzl — 16 Jahre alt, Schüler der
10a, rothaarig, mit großen Zähnen und muskulösen Beinen ausgestattet — Eugen
hörte auf zu treten.
    Von einer Sekunde zur anderen hingen
seine Beine wie bleigefüllte Schläuche herab.
    Er kippte nach vorn. Die blaue
Trikot-Brust schien den Lenker zu berühren.
    Um ein Haar wäre Tim in seinen Gegner
hineingefahren. Ein Schlenker nach links verhinderte den Zusammenstoß.
    Macht... er schlapp? Tim peilte nach
rechts, als er vorbeisauste — und sah das kalkweiße Gesicht des 16jährigen.
    Erschrocken verminderte auch Tim das
Tempo. Er hatte überholt und sah jetzt zurück.
    Das war nicht nur der berüchtigte tote
Punkt,
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