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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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Regimentskommandeur nicht auf das
Abschiedsgesuch antwortete. Als der Abschlußurlaub sich dem Ende zuneigte,
erkundigte ich mich telegrafisch, was mit meinem Gesuch los sei.
    Keine Antwort.
    Ich rief den Adjutanten an.
    »Der Oberst läßt sagen, Sie hätten
sich umgehend zum Dienst zu melden.«
    Ich eilte zum Fort Myer und meldete
mich beim Kommandeur. Sein Name war mir vage bekannt, aber erst sehr viel
später eroberte sein Ruhm die Schlagzeilen der Zeitungen. 1933 war George
Patton nicht mehr als ein höchst exzentrischer Kavallerist.
    Als ich sein Arbeitszimmer betrat und
grüßte, schnauzte er mich unwirsch an:
    »Was bilden Sie sich denn eigentlich
ein, Leutnant Thayer? Kaum hat die Armee Sie auf ihre Kosten erzogen, wollen
Sie auskneifen, um ein phrasendreschender, liebedienernder Diplomat zu werden —
und dann noch ausgerechnet in Rußland! Sind Sie vielleicht Bolschewik?« Jetzt
brüllte er sogar.
    Ich setzte ihm ausführlich alle meine
Pläne auseinander und wies noch darauf hin, daß es letzten Endes der
Steuerzahler sei, der meine Erziehung finanziert habe. Da ich nun weiterhin für
den Staat zu arbeiten bereit sei, entstünden wegen der Kosten meiner Ausbildung
wohl kaum Schwierigkeiten.
    Der Oberst brüllte noch lauter: »Ha —
immerhin hat die Armee ein Wörtchen mitzureden! Der General wird Ihrem Gesuch
nicht die leiseste Aufmerksamkeit schenken. Ich werde es sofort ablehnen.
Melden Sie sich morgen früh zum Dienst.«
    »Aber der General machte mir sogar den
Vorschlag, auszuscheiden. Ich habe erst vor wenigen Monaten persönlich mit ihm
über die Sache gesprochen, und er war ungewöhnlich begeistert.«
    Der gute Oberst schien etwas
konsterniert zu sein. Sein Ton wechselte.
    »Haben Sie nicht als Nummer eins in
der Armee-Polomannschaft gespielt?«
    Ich gab es zu.
    »Na ja, in unserem Team ist die Eins
ausgefallen, und wir hatten uns überlegt, daß Sie so schön einspringen könnten.
Ich hab’ hin und her gegrübelt, aber wir brauchen die Nummer eins eben
unbedingt!« schloß er offen.
    Ich erklärte ihm, Polospielen
interessierte mich nicht mehr, und ich sei entschlossen, nach Moskau zu gehen.
    »Also, dann verschwinden Sie in drei
Teufels Namen! Wenn Sie selbst nicht mehr wissen, was für Sie am besten ist, kann
ich Ihnen auch nicht helfen. So’n verdammtes feines Getue statt ‘nem
anständigen, guten Polospiel! Und noch dazu in Rußland! Ein verdammter Quatsch,
behaupte ich. Hirnverbrannter Blödsinn!«
    Einige Tage später saß ich auf dem
öden Flughafen in Königsberg in Ostpreußen, Startplatz für Luftreisen in die
Sowjetunion.
    Draußen auf dem Rollfeld hockten in
Schmutz und Binsen ein halbes Dutzend plumpe alte Junkers-Verkehrsflugzeuge.
Durch den Nebel konnte ich gerade noch auf den Rümpfen das Symbol der
Lufthansa, die Möwe, erkennen. Auf der anderen Seite des Platzes, weit genug
entfernt, um jede Besudelung durch die »Nazischweine« zu vermeiden, befand sich
eine Gruppe kleiner, einmotoriger Flugzeuge mit dem Stern der sowjetischen
Zivilluftfahrt. Jenseits des Flugplatzes verlor sich die monotone Landschaft
Ostpreußens im Nebel. Hier und da reckten sich ein paar hagere Pappeln düster
aus dem grauen Dämmern. Ich zählte sie von Zeit zu Zeit, um aus der jeweils
sichtbaren Anzahl zu schließen, ob der Nebel sich lichtete oder dichter wurde.
Innerhalb des Flughafen-Gebäudes war die Atmosphäre fast ebenso vergnügt. Ein
paar gleichgültige Reisende saßen herum, starrten ihre großen Zehen an und
warteten geduldig, daß ihre Flugzeuge ausgerufen würden. Hinter einem
ungestrichenen hölzernen Schalter bekritzelten zwei bebrillte deutsche
Angestellte geschäftig irgendwelche Formulare. Hinter ihnen befand sich auf
einer großen schwarzen Tafel eine Tabelle aller Flüge nach Berlin, Warschau,
Danzig, Riga, Moskau und Leningrad. Dieser letzte Flug nach Leningrad war es,
der mich im Moment interessierte. Ich wollte mir die alte Hauptstadt ein
bißchen ansehen, ehe ich mich in Moskau niederließ. Außerdem war da noch so
eine kleine Sache mit einem vergrabenen Schatz in einem der Leningrader Vororte
zu erledigen. Ich hatte es einer alten russischen Bekannten extra versprochen.
    An jenem Morgen kam mir Königsberg
wirklich wie ein Sprungbrett ins Unbekannte vor. Während ich ruhelos im
Warteraum auf und ab ging, mußte ich immer wieder an George Pattons Kommentar
denken:  »Verdammter Quatsch — hirnverbrannter Blödsinn!« Und dabei hatten
alle meine Pläne so ungemein vernünftig
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