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Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd
Autoren: Colin Forbes
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Vorspiel
    Keine Nacht hätte so kalt sein dürfen wie diese Winternacht.
    Keine Frau hätte erleiden dürfen, was Hannah Stuart durchmachen mußte. Kreischend rannte sie den schneebedeckten Hang hinunter – kreischend, wenn sie nicht gerade keuchend Luft holte oder sich fast die Lungen aus dem Leib hustete. Hinter sich hörte sie das Hecheln und Bellen der scharfen Dobermann-Rüden immer näher kommen.
    Sie trug nur ein Nachthemd, über das sie ihren Pelzmantel geworfen hatte, aber feste Schuhe mit Profilsohlen, die ihr auf der glatten Schneedecke Halt gaben, während sie stolpernd auf den Maschendrahtzaun zustürzte, der das Gelände abriegelte.
    Sie riß sich im Laufen das „Ding“ von Gesicht und Kopf und ließ es achtlos fallen, während sie in gierigen Zügen die eisige Winterluft einatmete.
    Die Nacht war mondlos und dunkel, aber die matte Helligkeit über der Schneedecke zeigte ihr, wohin sie laufen mußte. Nur noch wenige hundert Meter, dann hätte sie die Stelle erreicht, wo der Zaun an die Straße grenzte – an die Außenwelt, an die Freiheit. Jetzt, als sie frei atmen konnte, fragte sie sich, ob die Nachtluft nicht schlimmer war als das „Ding“, das sie abgelegt hatte. Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt kam es ihr vor, als ob sie flüssiges Eis einatme. „O Gott, nein!“ keuchte sie.
    Zehn Meter vor ihr war ein Gegenstand aufgeschlagen: ein granatförmiges Projektil, das laut zischend zerplatzte.
    Verzweifelt bemühte sie sich, den Atem anzuhalten, während sie durch die aufsteigende weiße Qualmwolke lief. Es war unmöglich. Ihre Lungen füllten sich erneut mit dem schrecklichen Zeug, und wieder mußte sie keuchend husten.
    Hinter den Wachhunden, die von ihnen auf die Fährte der Flüchtenden gesetzt worden waren, liefen Uniformierte, deren Köpfe und Gesichter durch gräßliche Vermummungen entstellt waren. Hannah Stuart drehte sich nicht um, sie sah die Verfolger nicht, sie wußte nur, daß sie ihr auf den Fersen waren. An der Stelle, auf die sie zu rannte, war der Zaun durch ein hohes Maschendrahttor unterbrochen. Es war geschlossen, aber sie spürte, daß unter ihren Füßen, unter dem Schnee, die Straße lag, die zu diesem Tor führte. Hier kam sie schneller voran – falls man überhaupt von „schnell“ sprechen konnte.
    Noch immer keuchend, erreichte sie das Tor, wo ihre Hände sich in dem Drahtgeflecht verkrampften, während sie sich verzweifelt anstrengte, einen Torflügel zu öffnen. Wenn nur ein Auto auf der Straße vorbeikäme, wenn nur der Fahrer sie sähe! Wenn sie nur dieses verdammte Tor aufkriegen könnte, würde sie vielleicht sogar überleben. Immer nur „wenn“… Die panische Angst, die sie bisher mühsam unterdrückt hatte, stieg unaufhaltsam in ihr hoch. Sie starrte verzweifelt in beide Richtungen und wünschte sich nichts sehnlicher, als ein Scheinwerferpaar die einsame Straße hochkommen zu sehen.
    In der Dunkelheit bewegte sich nichts, nur die Hunde, die sie schon fast erreicht hatten, und die Männer, die hinter den Hunden in einer Schützenkette näherrückten. Sie holte ein letztes Mal keuchend Luft. Ihre Hände – inzwischen blutig, weil sie sich am Tor verletzt hatte – öffneten sich kraftlos. Das mit Rauhreif bedeckte Metall des Tors zeigte rote Flecken, als sie abrutschte und zu Boden sank. Der hartgefrorene Boden schürfte ihr das Gesicht auf. Sie war schon tot, als die Männer sie erreichten. Ihre Augen starrten ausdruckslos zu ihnen auf, und ihr Gesicht ließ bereits alle Symptome einer Zyanose erkennen. Zwei Männer trugen sie auf einer mitgebrachten Trage wieder den Hügel hinauf. Die Wachhunde wurden angeleint. Ein Mann nahm sich die Zeit, die Blutspuren am Tor mit einem Lappen abzuwischen, bevor er den anderen folgte.
    Das ereignete sich im Jahre 1984 in der Schweiz. Draußen vor dem Zaun an der rechten Torsäule war eine große Metalltafel mit eingravierter Inschrift angebracht:
    KLINIK BERN.
Warnung vor dem Hunde!

1
    Tucson, Arizona. 10. Februar 1984. 45°C
    Hitzewellen wie über einem riesigen Grill, in der flimmernden Luft schienen die kahlen, zerklüfteten Tucson Mountains zu vibrieren. Hinter dem Steuer ihres gerade aus England importierten Jaguars ließ Dr. med. Nancy Kennedy ihrem Frust freien Lauf, indem sie das Gaspedal rücksichtslos durchtrat.
    Sie lenkte den Wagen gekonnt durch eine Kurve, um von der Interstate Highway 10 abzubiegen und die für ihre Haarnadelkurven berüchtigte Straße zum Gates-Paß in Angriff zu nehmen. Bob
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