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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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geklungen, wenn ich sie zu Hause mit
Freunden diskutierte. Ich würde ganz einfach die Militärlaufbahn aufgeben,
Knobelbecher, Knarre und Waffenrock an den Nagel hängen und in die weit
glänzendere diplomatische Karriere einsteigen. Alles, was ich zu tun hatte,
war: nach Moskau gehen, Russisch lernen, darauf warten, daß Roosevelt die
Sowjetunion anerkannte, und mich dann um einen Posten in der Botschaft
bewerben. Es war verblüffend einfach. Doch an jenem nebligen, düsteren Morgen,
viertausend Kilometer weit von daheim entfernt, begann die Sache ganz anders
auszusehen. Angenommen, Roosevelt änderte seine Entschlüsse? Angenommen, ich konnte
gar kein Russisch lernen? Oder angenommen, man warf mich hinaus, noch ehe der
Botschafter eintraf? (Schließlich hatte ich nur ein Touristenvisum für vier
Wochen.) Je länger ich in die freudlose, kahle Landschaft hinausstarrte, um so
irrsinniger erschien mir der ganze Plan. Ob ich es mir nicht doch noch anders
überlegen sollte? Vielleicht würde Oberst Patton mir verzeihen und mich wieder
ins Regiment aufnehmen, wenn ich ihm verspräche, in Zukunft ein guter
Polospieler werden zu wollen?
    Meine seelische Verfassung war auf dem
Nullpunkt angelangt, als einer der Flughafenangestellten den sofortigen Start
der Maschine nach Leningrad ausrief. Jetzt war es zu spät zum Umkehren. Ich
griff nach meinem Koffer und lief aufs Rollfeld hinaus. Ein weiterer Wartender
schloß sich an, ein ältlicher, professoral aussehender Mann mit glänzendem
Kahlkopf, dickem Kneifer und einem ziemlich abgewetzten, schäbigen
Knickerbockeranzug. Gemeinsam wurden wir zu einer einmotorigen sowjetischen
Maschine geleitet. Der Pilot, ein kräftiger blonder Bursche mit einem enormen
Grinsen im Gesicht, erwartete uns schon.
    Das Flugzeug sah nicht gerade neu aus.
Seine Farbe war verblaßt und an vielen Stellen abgesprungen, die Tragflächen
verbeult und geflickt. Wir erklommen die Leiter zu einer winzigen Kabine,
verstauten die Koffer auf einem Gestell über unseren Köpfen und schnallten uns
die Sitzgurte um. Einen Augenblick später rasselte der Pilot die Leiter hoch,
stoppte oben kurz und tätschelte schnell noch eben zärtlich den Rumpf. Dabei
brüllte er uns ein paar russische Worte zu. Ich sah fragend zu meinem
Mitpassagier hinüber, der meine Nationalität offenkundig bereits erraten hatte,
denn er übersetzte gleich fließend ins Englische:
    »Er sagt: Omamas letzte Reise!«
    Nach dieser beruhigenden Neuigkeit
wurde »Omamas« Tür zugeknallt, während ein paar Mechaniker den Propeller
anwarfen. Gleich darauf holperten wir tuckernd mit Vollgas übers Feld. Noch ehe
ich mich darüber aufregen konnte, waren wir schon mit einem letzten harten Bums
in die Luft gehüpft, umrundeten den Flugplatz und schraubten uns ostwärts. Kein
Warmlaufen des Motors, kein Herumfummeln an den Kontrollgeräten vor dem Start,
kein sichernder Signalwechsel mit dem Turm beim Abflug...
    Wir flogen immer noch in
Baumwipfelhöhe, als der Pilot sich umsah und fröhlich winkte, zum Zeichen, daß
jetzt alles wunderbar in Ordnung war. Ich saß auf glühenden Kohlen. Wann
endlich würde er denn versuchen, Höhe zu gewinnen — nur ein winziges kleines
bißchen Höhe? Von meinem Platz aus schien es, als reiche eine einzige besonders
große Kiefer aus, unser ganzes Fahrgestell abzurasieren. Ich sollte in Kürze
erfahren, daß alle Sowjetpiloten das »Kontaktfliegen« lieben, meist sogar
darauf bestehen. Wenn auch die Räder die Baumwipfel nicht gerade berühren, so
halten sie sich doch so dicht daran, daß einem weder schwindlig wird, noch daß
man im tiefen Nebel seinen Weg verliert. Es kostete einige Anstrengung, sich
daran zu gewöhnen, doch hatte ich mir nun mal (wie jeder Rußlandreisende) fest
vorgenommen, »aufgeschlossen« in die Sowjetunion zu gehen, und konnte es mir
keineswegs gestatten, schon zu nörgeln, ehe wir noch die Grenze überflogen
hatten.
    Andere Ausländer, deren
Urteilsvermögen nicht durch so viel »Aufgeschlossenheit« gestört war, gewöhnten
sich wesentlich schwerer an dieses Niedrigfliegen. Ganz zu Anfang des Krieges —
sieben Jahre nach meinem ersten Flug in einer russischen Maschine — holte ich
in Archangelsk Lord Beaverbrook und eine Delegation ab. Sie waren auf dem
Seewege gekommen und sollten mit einem Geschwader sowjetischer DC-3 nach Moskau
fliegen. Kurz vor dem Start ließ Lord Beaverbrook mich zu sich bitten.
    »Harry Hopkins erzählt mir gerade, daß
diese Burschen nie höher als zwanzig
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