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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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Wir
schritten die Front einmal ganz ab und dann zurück bis zur Mitte. Die Wache
präsentierte das Gewehr. Die Kapelle spielte »The Star-Spangled Banner«. Der
General und der Marschall salutierten, ich tat dasselbe. Als die Kapelle
endete, entstand eine Pause. General Clarks Hand löste sich langsam von der
Feldmütze. Von hinten sah ich, wie er einen verstohlenen Blick auf Konjew warf,
der immer noch salutierte. Schleunigst fuhr auch Clarks Hand wieder an den
Mützenrand. Die Pause wurde länger, und Konjews Hand begann langsam zur Seite
zu fallen. Dann schielte er zu dem unbeweglich stehenden Clark hinüber und —
husch — war der Arm zurück. Immer noch geschah nichts, nur die beiden Hände
sägten abwechselnd auf und ab, vom Kopf bis zur Seitennaht. Endlich wurde es
Clark zu dumm. Er schwenkte auf den Absätzen zu mir um.
    »Verdammt noch mal, Thayer«, quetschte
er zwischen den Zähnen heraus, »verdammte Schweinerei, Thayer! Die Kerls sollen
spielen, verflucht noch mal. Musik, Musik!« Während er sprach, beugte ich mich
vornüber und hauchte in meinem allermilitärischsten Ton: »Jawohl, Sir!« Mich
daraufhin selber zurückneigend, flüsterte ich einer hinter mir stehenden Gruppe
von Stabsoffizieren, die dem ganzen Vorgang interessiert gefolgt waren, zu:
»General Clark sagt: »Musik, verdammte Schweinerei, Musik!<«
    Ich konnte verfolgen, wie der Befehl
bis zum Musikmeister weitergegeben wurde. Dann endlich schmetterte die Kapelle
los. Sobald ihn der erste Ton erreichte, entschied sich Clark endgültig, und
seine Hand fiel erlöst herunter. Ich wollte es ihm gerade nachmachen, da ich
meinen Vordermann — wie man es mir in West Point beigebracht hatte — immer
blindlings imitierte. Da aber kam plötzlich ich an die Reihe zu handeln, und
meine Hand schoß zurück an die Mütze. Clark sah die Bewegung aus den
Augenwinkeln. Gänzlich verwirrt, schwenkte er wieder auf den Absätzen zurück:
    »Verdammt noch mal, Thayer — zum
Teufel, was spielen die Kerls denn da?«
    »Die sowjetische Nationalhymne, Sir«,
entgegnete ich so bescheiden, wie ich unter den Umständen nur eben konnte.
Clarks Hand folgte der meinen an die Mütze.
    Es gibt eben ein paar militärische Zwickmühlen, in die sogar Generale geraten können.

Russisch ist gar nicht so schwer!
     
     
     
    Lag’s an den Kasernen? Lag es am
Schuheputzen, dieser gräßlichen soldatischen Dauerbeschäftigung? Ich weiß es
nicht, doch trübte sich mir der verlockende Glanz einer militärischen Karriere
tagtäglich mehr. Während meines mühsamen Stolperns durch vier Jahre West Point
wurde eines immer deutlicher: Die US-Regierung tat besser daran, mich in einem
anderen Zweig des Staatsdienstes unterzubringen. Etwa in der Diplomatie.
    Ich erkundigte mich beim State
Department. Es war 1932, und die Ära der Einsparungen dauerte noch an. Das
Department erklärte, nur Leute mit ganz speziellen Qualifikationen einstellen
zu können. Wie diese speziellen Qualifikationen im einzelnen auszusehen hatten,
konnten sie mir auch nicht sagen. Roosevelt hatte gerade seinen Wahlsieg
errungen und versichert, er werde die Sowjetregierung anerkennen. Wenn ich nun
Russisch lernte, wäre das eine »spezielle Qualifikation«? Die Herren im
Department meinten, es könne unter Umständen eine sein, doch sei die Frage
hypothetisch, Rußland sei noch nicht anerkannt. Immerhin kam mir die Sache
nicht ganz entmutigend vor.
    Das Los der Armee in der
Sparsamkeitsära war eine äußerste Knappheit an offenen Stellen für die jungen
Offiziere aus West Point und den anderen Militärschulen. Ich wandte mich an den
Chef der Personalabteilung der Armee und bat um Auskunft, ob er es unter den
gegebenen Umständen begrüßen würde, wenn ich gleich nach der Beförderung den
Heeresdienst quittierte und zum State Department hinüberwechselte, oder ob er
darauf bestünde, daß ich die vorgeschriebenen zwei Jahre abwartete und erst
dann abginge. Der General zog es entschieden vor, daß ich so bald wie möglich
den Dienst quittierte. Seine Entschiedenheit war nicht besonders
schmeichelhaft, aber sie kam mir gelegen. Sofort nach der Beförderung sandte
ich also an den Kommandeur des Kavallerieregimentes, dem ich zugeteilt worden
war, mein Abschiedsgesuch und kaufte ein Touristenbillett nach Moskau, um dort
die russische Sprache zu erlernen und Roosevelts versprochene Anerkennung der
Sowjetunion abzuwarten. Alles ging hübsch glatt vonstatten, bis auf die
unangenehme Tatsache, daß mein
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