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0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder

0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder

Titel: 0839 - Ruhe sanft und komm nie wieder
Autoren: Jason Dark
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In seinem Gesicht regte sich nichts. Er starrte nur hinaus in eine nachtschwarze Landschaft. Er hatte die Arme angehoben und die Hände um die Fenstergriffe gelegt. Sein Körper bewegte sich leicht im Rhythmus des Zuges. Das polnische Schienennetz war alt und ließ keine hohe Geschwindigkeit zu.
    Der einsame Mann dachte nach.
    Er überlegte, ob er möglicherweise einen Fehler begangen hatte. War es richtig von ihm gewesen, John Sinclair allein gehen zu lassen? Der wiederum wollte sich um seine Freundin Jane Collins kümmern, die ihm einfach zu lange in einem anderen Abteil - besetzt von drei gefährlichen Männern - verschwunden war.
    Der Einsame wußte es nicht genau. Außerdem mußte er seinen Weg gehen und nicht den des Geisterjägers. Er war auf der Welt, um gerecht zu sein. Schon sein Name wies darauf hin.
    Er hieß Raniel.
    Ein Name für einen Engel, und er war ein Engel, denn er hatte auf zwei Existenzebenen gelebt, und er hatte einen Sohn namens Elohim, um den er sich ebenfalls kümmern mußte.
    Sein Leben bestand aus zahlreichen Fäden. Heute aber sah es so aus, als würden sie wieder einmal zu einem Knotenpunkt zusammenlaufen, um dort zu explodieren.
    Der Gerechte sah die huschenden Schatten jenseits der Scheibe. Er konnte nicht ausmachen, ob es Bäume, Büsche oder irgendwelche Schuppen waren, die Dunkelheit machte eine Identifizierung einfach unmöglich. Er seufzte, es hatte keinen Sinn, wenn er im Abteil stehenblieb und sich selbst in der Scheibe beobachtete. Er mußte einfach etwas tun, sonst war alles zu spät.
    Irgendwo bewunderte er John Sinclair auch, daß er es allein gewagt hatte, sich auf die Suche nach dieser Frau zu machen. John mußte ja damit rechnen, auf Feinde zu treffen, die kein Erbarmen kannten.
    Der Gerechte hatte sich entschlossen. Noch immer umfaßten seine Hände die beiden Griffe.
    Dann zog er plötzlich an ihnen. Die Scheibe klemmte etwas. Stotternd fuhr sie nach unten, und der kalte Fahrtwind schlug dem Mann ins Gesicht.
    Er streckte seinen Kopf vor.
    Der Zug fuhr auf dieser Strecke besonders langsam. Den Grund kannte Raniel nicht. Er glaubte aber, einen Damm zu sehen, auf dem sich die Wagenschlange voranbewegte, und an der Seite des Damms schimmerten lange Wasserstreifen, die aussahen wie Kanäle.
    Raniel kniff die Augen zusammen. Der Wind wühlte sich in sein Haar. Er wehte es in die Höhe, als wollte er es abreißen. Der Gerechte starrte nach vorn, dort befanden sich auch die beiden Gepäckwagen.
    Der Gerechte versuchte es. Mit einem geschmeidigen Dreh schwang er sich aus dem Fenster. Er schien plötzlich schmaler geworden zu sein. Auch der lange Mantel behinderte ihn nicht bei seiner Klettertour, für ihn zählte nur der Erfolg.
    Was ein Stuntman in einem Film schaffte, das brachte auch der Gerechte fertig, denn er verließ den Wagen auf diese ungewöhnliche Art und Weise. Er war wie eine Katze. Sein Körper schien sich zusammengezogen zu haben. Er hatte ihn nicht nur gedreht, sondern auch in die Höhe geschraubt und seine Arme dem Dach entgegengestreckt, wo er an einer schmalen, vorstehenden Rinne Halt finden wollte. Krumm wie eine übergroße Banane hing der Gerechte an der Außenwand des Zugs.
    Er hatte sich bewußt für diesen ungewöhnlichen Weg entschieden, denn er wollte die Überraschung auf seiner Seite haben.
    Der Fahrtwind war sein Feind. Immer wieder suchte er sich in dieser Gestalt sein Ziel. Er wollte nicht, daß der Mensch über die Gesetze der Natur triumphierte.
    Raniel kämpfte.
    Er gewann.
    Die Rinne hatte seinen Händen Halt genug gegeben. Sie bog sich nur einmal durch, als er sich hochschwang und sein rechtes Bein dabei einen Bogen schlug. Mit dem Knie erreichte er zuerst das Dach des Wagens und stellte sofort fest, daß es feucht war. Er rechnete damit, daß es auch glatt sein würde.
    Raniel gab nicht auf. Auf dem Bauch robbte er weiter, bis er ungefähr die Dachmitte erreicht hatte, und dort duckte er sich tief, denn er wollte dem Fahrtwind so wenig Widerstand wie möglich bieten.
    Den nächsten Wagen konnte er noch erkennen. Die anderen wurden von der Dunkelheit verschluckt.
    Die Lokomotive sah er ebenfalls nicht. Manchmal hatte er auch das Gefühl, durch Wolken zu fahren, doch es waren nur Dunstflecken, die sich in dieser Nähe gehalten hatten und von irgendwelchen Bächen abgesondert wurden.
    Raniel war zufrieden, richtete sich nur um eine Idee auf. Sofort bekam der Wind mehr Angriffsfläche. Er schlug gegen ihn, packte den Mantel und schleuderte ihn
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