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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar
Autoren: Charles W. Thayer
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das
eigentliche Zimmer betrat. Der Fußboden war mit ein paar kleinen Teppichen
bedeckt; mitten im Raum stand ein Dreifuß für Holzkohlenfeuerung, in dem aber
keine Holzkohlen, sondern nur einige feuchte Zweige glommen und einen dicken,
ätzenden Qualm produzierten, der in schweren Schwaden unter der Decke hing.
    Kaum hatte ich meinen Schlafsack in
einer Ecke ausgebreitet und im winzigen Feldkocher etwas Tee gemacht, als auch
schon die Dorfältesten zu ihrem feierlichen Antrittsbesuch erschienen. Eine
halbe Stunde diskutierte ich in meinem ziemlich lahmen Persisch ihre Probleme:
den Zustand der Dorfschule, die zahlreichen Krankheiten, die unter den
Bergstämmen wüteten, das Wachstum des Getreides und die Tüchtigkeit des
örtlichen Regierungsvertreters. Dann erhoben sich die Ältesten, beteten zu
Allah um einen glücklichen Aufenthalt für mich und zogen sich zurück. Sie waren
knapp draußen, da marschierten die Jäger des Dorfes, die ich hatte
zusammenrufen lassen, herein und hockten sich längs der mir gegenüberliegenden
Wand nebeneinander hin. Es waren elf, und sie sahen gefährlicher, grimmiger und
finsterer aus als alles, was ich bisher gesehen hatte. Ihre dunklen Gesichter
waren von wilden schwarzen Bärten bedeckt, die nur einen Schlitz für den Mund
und von jeder Backe einen kleinen Flecken frei ließen, über dem die großen
blauen Augen aufblitzten. Langes, wirres, schwarzes Haar reichte ihnen bis über
die Schultern. Jeder von ihnen trug einen altertümlichen Vorderlader, den er
beim Hinsetzen neben sich an die Wand lehnte.
    Ich erklärte, daß ich am nächsten
Morgen auf dem großen Berg Steinböcke zu suchen wünsche. Augenblicklich wurden
elf zottige Köpfe geschüttelt: »Nein!« Der Berg sei für Talbewohner viel zu
gefährlich! Und überdies, sagten sie, auf meine Hauspantoffeln weisend, hätte
ich nicht die rechte Fußbekleidung. Ich durchwühlte meinen Rucksack und
beförderte ein Paar Kletterstiefel zutage. Sie wurden rundgereicht und
sorgfältig examiniert. Schließlich einigte man sich darauf, daß sie zum
Klettern ziemlich gut seien, wenngleich bei weitem nicht so gut wie ihre
Sandalen. Trotzdem aber stünde es für einen »Kabuli« wie mich ganz außerhalb
des Möglichen, den Berg zu ersteigen, sagten sie. Er sei sehr steil, und selbst
wenn sie wollten, könnten sie mich nicht tragen. Zum Gehen aber sei ich natürlich
nicht stark genug. Ich setzte ihnen mühsam auseinander, daß das meine
Angelegenheit sei, daß ich manch einen Berg bestiegen hätte und mich gerade
augenblicklich in bester Trainingskondition befände. Nach weiteren dreißig
Minuten heftigen Hin und Hers waren die Jäger seufzend einverstanden, es
wenigstens zu versuchen, obschon sie immer noch bezweifelten, daß ich das
Hochplateau, auf dem Steinböcke grasten, erreichen würde.
    Ich erkundigte mich nach dem Anführer,
der die Tour vorbereiten, den Weg aussuchen würde und so weiter. Die elf sahen
einander an und wechselten murmelnd ein paar Worte. Dann wandte sich einer an
mich und erklärte, in ihrem Dorf seien alle Männer gleich viel wert. Anführer
gebe es nicht. Ich bewundere zwar die Demokratie ihres Kommunalwesens,
erwiderte ich, fände sie jedoch etwas unpraktisch, wenn eine Jagd organisiert
werden sollte. Nach längerem ergebnislosem Palaver wandte ich mich an einen,
der etwas entschiedener aussah als die anderen, und sagte energisch, daß er für
den bevorstehenden Jagdausflug der Anführer sein solle, ganz gleich, ob er es
gern sei oder nicht. Er weigerte sich zunächst, doch schienen die anderen mit
meiner Wahl einverstanden zu sein, und nach kurzem Umschmeicheln und
Beschwatzen nahm er den Posten auch an. Zehn Minuten später waren alle
Arrangements getroffen. Eine Fünfergruppe (zu der ich gehörte) würde im
Hauptteil aufsteigen, während zwei Vierergruppen die rechts und links
anschließenden Seitentäler und Bergkämme ersteigen und das Wild auf uns
zutreiben würden. Wir sollten pünktlich um drei Uhr morgens aufbrechen (neun
Uhr abends war es jetzt schon) und an der Baumgrenze, wo die Abhänge für
nächtliche Kletterversuche zu steil wurden, die Dämmerung abwarten.
    Die Jäger standen auf, warfen sich die
Vorderlader nachlässig über die Schultern und baten in gemeinsamem Gebet Allah
um eine gefahrlose und erfolgreiche Expedition. Als sie hintereinander zur Tür
hinausmarschierten, hielt sie der von mir gewählte Anführer noch einmal zurück:
    »Denkt daran, Brüder«, warnte er sie,
»daß der
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