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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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EINLEITUNG:
IM BUND DAS DRITTE

    Die Geburt eines Kindes ist in vielen zivilisierten Ländern die häufigste Ursache einer Scheidung in den ersten Ehejahren. Diese Statistik wirkt paradox. Schließlich heiraten Menschen doch in erster Linie, um eine Familie zu gründen, was oft auch heißt: einen Kinderwunsch zu verwirklichen. Frauen und Männer sind in der Regel überzeugt, ein gemeinsames Kind sei Ausdruck einer Liebesbeziehung und werde diese festigen. In Wahrheit aber kann unter den Partnern der Gegenwart eine belastbare Liebesbeziehung die Beschädigungen durch das Baby gerade noch verkraften, während eine weniger belastbare sich oft nicht mehr davon erholt.
    So liegt es nahe, die Erosion der Liebe zwischen den Eltern durch das Kind zu untersuchen. Es stellt sich sogar die Frage, weshalb das angesichts der gravierenden Folgen bisher kaum geschehen ist. Selbst die Fachleute der Psychotherapie ignorieren häufig den Zusammenhang zwischen Depressionen und Elternstress.
    Die Liebe zum Kind wird in der Regel noch energischer gegen alle Einwände und Bedenken verteidigt als die erotische Liebe. Das zwingt alle Beteiligten, Schattenseiten zu ignorieren und ein als gefährdet erlebtes »Glück« durch Verleugnungen zu festigen. Diese haben leider den Nebeneffekt, dass die Probleme, derart unter den Teppich gekehrt, anwachsen
und unlösbar werden, während eine frühe Wahrnehmung der Krise die Suche nach Abhilfe fördern kann.
    In den letzten Jahren hat sich die Scheidungskurve zweigipflig entwickelt. Nach den Frühscheidungen während der ersten Jahre nach der Geburt scheinen sich die Familienverhältnisse wieder zu beruhigen, bis die Kinder selbstständig geworden sind. Dann häufen sich erneut die Scheidungen. Die Analyse solcher Spätscheidungen zeigt, dass auch sie in der Regel durch Beschädigungen der frühen Ehe durch das Kind verursacht worden sind. Diese waren in der Zwischenzeit durch die gemeinsame Zuneigung zum Nachwuchs verschleiert und notdürftig kompensiert. Sie haben aber die Kränkungsverarbeitung zwischen den Partnern so geschwächt, dass diese den Belastungen der Wiederannäherung nicht standhält, welche durch den Auszug der Kinder und die Vision eines gemeinsamen Lebensabends entstehen.
    Der 52-jährige Maximilian 1 sucht Hilfe, weil er sich »wie auf einem Pulverfass« fühlt. Er hat sich ein Jahr nach dem Auszug seiner Tochter in eine Kollegin verliebt und ein Verhältnis mit ihr begonnen. Er muss die Beziehung auf deren Wunsch verheimlichen, weil sie verheiratet ist und zwei Kinder im Vorschulalter hat; beide empfinden ihr Verhältnis aber als so intensiv, dass sie sich erotisch völlig von ihren Partnern distanziert haben.
    Maximilian beschreibt, dass er nach der Geburt des Kindes immer wieder von seiner Frau abgewiesen wurde. Er fand das so kränkend, dass er sich entschloss, nur noch mit ihr zu schlafen, wenn die Initiative von ihr ausging. Das habe zu einer extremen Verarmung des Sexuallebens geführt. Vermutlich habe seine
Frau geglaubt, er sei jetzt endlich normal geworden, nicht mehr so sexbesessen wie zu Beginn ihrer Partnerschaft.
    Seit die Tochter einen Freund habe, wolle seine Frau wieder öfter mit ihm schlafen, berichtet Maximilian. Jetzt habe aber er keine Lust mehr und ziehe sich mit Ausreden zurück. Er wolle seiner Geliebten nicht untreu werden, aber er fürchte sich auch vor den Vorwürfen seiner Partnerin. Besonders konfliktfreudig seien weder er noch sie. Er hänge an seiner Frau, es sei eigentlich eine gute Ehe gewesen, sie hätten die Probleme mit der Tochter gemeinsam gelöst, sie habe beruflich etwas zurückgesteckt, sich aber inzwischen wieder eine gute Stelle gesucht.
    Solche Berichte sind Alltag in der Praxis der Paaranalyse, aber ich habe mich nie an den herzzerreißenden Schmerz gewöhnen können, der sich bereits in den ersten Sätzen ankündigt. Maximilians Frau steht mitten in einem Scherbenhaufen. Sie weiß noch nichts davon, sie ahnt nicht, wie weit sich ihr Mann schon von ihr entfernt hat, sie hat geglaubt, dass er aus Liebe zu ihr und aus Einsicht in ihren Stress damals seine erotischen Ansprüche taktvoll reduziert hat. Jetzt, so denkt sie, wird er sich freuen, wenn sie wieder mehr Lust und Zeit aufbringen kann. Sie will ihn ja nicht bedrängen! Indem sie von sich ausgeht, ist es ihr ganz selbstverständlich, dass sich Erotik nur unter günstigen Umständen entwickelt.
    Wenn sie dann der Wahrheit ins Gesicht sehen muss, erkennt sie wiederum nicht Maximilians
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