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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising
Autoren: Glen Duncan
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das Himmel riesig und klar und voller Sterne war, umarmte er ihn.

68
    In der vollkommenen Schneestarre und Nachtstille, lange nachdem Madeline Cloquet und sich bis zur Erschöpfung getrieben hatte und Lucy und Trish mit nuschligen Stimmen Gute Nacht gewünscht hatten und zu Bett gegangen waren, wo sie der Schlaf wie ein Stein niederschlug, lange nachdem Walker und ich (mit Hilfe von Whiskey und Gin und dem Schock von Konstantinovs Verwandlung) überstürzten Sex hatten – einfach nur um zu beweisen, dass wir es noch immer konnten und er nicht endgültig ruiniert worden war – und er, von der Erleichterung übermannt, in Schlaf fiel, lange nach all dem lagen die Zwillinge und ich noch wach und unruhig da.
    Eine Weile kämpfte ich dagegen an, versuchte ein hal- bes Dutzend Varianten der Schäfchen-Zählmethode, doch schließlich stand ich auf, zog mich leise an und sagte mir, dass es sich wohl um verzögerten Schock handeln müsse: Drei Monate lang war mein Leben auf ein einziges Ziel ausgerichtet gewesen. Ein Schreckensziel, ja, aber es hatte mir alle anderen Fragen und Unsicherheiten, alles Unbehagen, alle Mehrdeutigkeit und Angst genommen. Damit war es nun vorbei. Die Welt war wieder weit offen, und die verwirrende Tatsache, vierhundert Jahre in ihr zu leben – Kinder, die erzogen werden mussten, Feinde, gegen die man sich zur Wehr setzen musste –, meldete sich wieder. Vierhundert Jahre. Nicht zu fassen. Man tastete sich durch NASA und das Genom-Projekt und irgendwelche Spezialeffekte hindurch, aber es war sinnlos. Es würde Erschütterungen geben, Revolutionen, Dinge von grauenvoller Einzigartigkeit, Dinge, die einem wie Wunder oder Zauberei vorkämen, wenn man sie jetzt sehen würde. Ich hatte den Schwindel vergessen, der mich überkam, wenn ich darüber nachdachte. Das war es, was mich wachhielt, sagte ich mir, dieses sich ewig ausdehnende Potential meines Zustands.
    ›Nein, das ist es nicht‹, sagte Wolf.
    Zoë und Lorcan blinzelten mich in der Dunkelheit an. Ich sah zurück. Freude. Freude ist kreisförmig. Da ist die Freude. Dann die Ungläubigkeit, die dir sagt, du träumst nur. Dann die mentale Pause, der Schritt zurück, der dem Universum die Chance gibt, dich wachzurütteln. Dann die Rückkehr, um nachzuschauen, ob die Freude noch immer da ist – und dann wieder die Freude, irrsinnig wirklich und unverdientermaßen ganz deins.
    Ich nahm die Kinderwiege und mein frisch begonnenes Tagebuch und schlich mich nach unten.
    Das Feuer im Kamin war ausgegangen, aber der AGA-Herd in der Küche gab noch Wärme ab, also schob ich zwei Stühle davor, stellte die Zwillinge auf den Boden neben mir ab, legte die Füße hoch und las den Abschnitt, den ich neulich geschrieben hatte.

    ›Man tötet aus zwei Gründen‹, hatte ich geschrieben. ›Erstens, weil es um Töten oder Sterben geht. Zweitens, weil es sich gut anfühlt. Im Appellationsgericht der Menschen bringt dir der erste Grund vielleicht Strafmilderung ein. Der zweite bringt dir eine Silberkugel ein.‹

    In der Flasche Hendricks waren noch ein paar Schlucke. Ich gab mich gar nicht erst mit einem Glas ab.

    ›Wirst du zum Werwolf, brichst du mit der Menschheit. Oder die Menschheit mit dir. Du kannst der Menschheit nicht die Schuld dafür geben. Du kannst nicht erwarten, dass dich jemand einfach weiter liebt, wenn er weiß, dass du ihn töten und fressen wirst. Unglücklicherweise gibt es hier keinen sauberen Schnitt. Tatsächlich ist das der unsauberste Bruch, den man sich denken kann. Man lebt weiter gemeinsam. Man hat noch immer Sex. Man hat die Erinnerungen. Man spürt, manchmal, noch immer die Liebe. Aber früher oder später verdirbt einer von beiden alles. Die Menschheit ruiniert alles, indem sie dich daran erinnert, dass du eine Mörderin bist, oder du ruinierst alles, indem du jemanden umbringst. Das sollte es dann gewesen sein mit dir und der Menschheit, ein letzter Tausch von Plastiktüten, vielen Dank, verdammt, und tschüss. Aber nein. Es geht so weiter, das Zusammenleben, der Sex, die Erinnerungen, der Geist der Liebe –‹

    »Höchste Zeit, Jake nicht immer alles zu glauben«, sagte Marco. »Gott allein weiß, was Jake wohl davon halten würde, dich um diese Uhrzeit Gin trinken zu sehen.«
    Ich erschrak derart heftig, dass ich beinahe vom Stuhl gefallen wäre – dann sprang ich auf und stellte mich zwischen ihn und die Zwillinge.
    Er hatte sich nicht gerührt, nur eine Handfläche gehoben. Er sah noch genauso aus wie im Kloster,
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