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Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Titel: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
Autoren: W Gruber
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Vorwort
    Wissenschaft in der Öffentlichkeit zu verankern ist eine eigene Wissenschaft. Wissen in die Köpfe und Herzen von Menschen abseits des gebildeten Bürgertums zu pflanzen ist eine Herausforderung, die nur ganz wenige Wissenschaftler meistern. Selbst Wissenschaftsjournalisten haben Mühe, die richtige Sprache und die passende Form zu finden. (Viele) Menschen wollen unterhalten werden, lieben die Sensation und die Überraschung. Die Lernforschung (nicht nur bei Nacktschnecken) hat ergeben, dass nur das gelernt und für längere Zeit gemerkt wird, was unerwartet ein- oder auftritt. Das gilt nicht nur für Ereignisse, sondern auch für Einsichten. Ein weiteres Mittel, um die Neugier zu heben und die Spannung zu steigern, ist das Herstellen von überraschenden Zusammenhängen. Daraus ergeben sich manchmal auch neue Einsichten, aber vor allem regt es an, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen.
    Das vorliegende Buch ist ein Meisterwerk in dieser Beziehung. Es bedient sich all dieser Mittel und bereitet durchaus beträchtliche Mengen naturwissenschaftlicher Einsichten auf interessante und leicht verdauliche Weise zu. Gewürzt mit köstlichen Rezepten (geschrieben von Kochperfektionisten und Genießern) und voll von ausufernden Assoziationen und Querverbindungen regt es Fantasie und Neugier gleichermaßen an. Doch bei all den Pointen und Doppeldeutigkeiten kommt die Wissenschaft nicht zu kurz. Dabei geht es weniger um neue Erkenntnisse als um Aufklärung im besten Sinn. Auf charmante und heitere Weise helfen die Autoren, Bekanntes in neuem Licht zu sehen und – hoffentlich – zu verstehen. Ist doch unser Wissen stark von Halbwahrheiten, Anekdoten, Mythen und Esoterik geprägt (getrübt). Überall tummeln sich Rattenfänger, Wunderheiler, Märchenerzähler, Geisterbeschwörer und Seelenklempner.
    Nicht nur die Philosophie, auch die empirische Wissenschaft ist weniger damit beschäftigt, neues Wissen herbeizuschaffen, als altes, überholtes und falsches Wissen wegzuschaffen. Dafür wurden eigene Techniken der Müllentsorgung entwickelt. Karl Popper hätte sich den Nobelpreis für das effizienteste Wissensabfallwirtschaftssystem verdient. Im Laufe der Jahrhunderte haben Menschen alle möglichen Formen von Unsinn produziert und damit den wissenschaftlichen Fortschritt gehemmt. Zwar haben die Müllentsorger (auch in der Wissenschaft) keine hohe Reputation, sind aber (auch dort) äußerst nützlich. Der größte Feind bleibt die Spekulation. Die Fantasie des Menschen ist grenzenlos. Reinen Unsinn zu glauben ist ein Privileg des Menschen. Damit auch noch Geld zu verdienen ist ein Privileg unserer „Hochkultur“.
    Wie Naturwissenschaftler den Spekulanten und Leichtgläubigen begegnen, zeigt das Beispiel vom klugen Hans. Nicht nur der Besitzer dieses berühmten Pferdes glaubte an seine Rechenkünste, sondern auch viele Zeugen seiner Demonstrationen, vor allem Tierliebhaber und Sensationslustige. Sogar eine eigene kaiserliche Kommission wurde beauftragt, dem Pferd (oder dem Besitzer) auf die Schliche zu kommen, wurde aber auch nicht fündig. Erst ein schlauer Student (Oskar Pfungst) fand heraus, wie dieses Pferd die Aufgaben ganz ohne Magie lösen konnte. Sein (Oskars) Mittel zum Erfolg waren nüchternes Nachdenken und ein rigoroses experimentelles Vorgehen. Mit einer Reihe von ausgeklügelten Kontrollexperimenten konnte er zeigen, dass das Pferd zwar nicht über die ihm zugeschriebenen kognitiven Fähigkeiten verfügte (Lesen, Buchstabieren, Zählen, Rechnen etc.), aber dennoch in einem bestimmten Sinn außerordentlich klug war: Es hatte gelernt, subtile, unwillkürlich ausgesendete Verhaltenssignale der umstehenden Personen, welche die Lösung der Aufgaben kannten, zu nützen.
    Der Erfolg der Naturwissenschaften mag in diesem Beispiel harmlos erscheinen, wenn es aber um uns Menschen geht, wird es ernst. Seit Kopernikus, Galilei und Darwin rufen sie beträchtliche Erschütterungen an unserem Menschenbild hervor. Am Pranger steht dabei die permanente Selbstüberhöhung. Wir Menschen bezeichnen uns gerne als die „Krone der Schöpfung“ und schmücken uns mit dem Attribut weise (Homo sapiens ). Kein Wunder also, dass unser Verhältnis zu allen anderen Tieren über Jahrtausende von unüberbrückbarer Differenz und kategorialer Überlegenheit bestimmt wurde. Nur wir Menschen haben Verstand und Moral, Tiere leben instinktgetrieben und amoralisch. Um die mit dem Wörtchen „nur“ gekennzeichnete Sonderstellung oder
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