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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising
Autoren: Glen Duncan
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Studium der Literatur sausenließ und Geschäftsfrau wurde. Eine Dienerin des Mammons! Wenig überraschend – eigentlich sogar mit leichtfüßiger Befriedigung – stellte sie fest, dass sie ein Händchen für das hatte, was ein späterer Liebhaber (der größte von allen) als »Schweinkram und das Know-how des amerikanischen Kapitalismus« nannte. Ihre Mutter war enttäuscht, aber auch eitel genug, um geschmeichelt zu sein, wie sehr ihre Tochter ihr nachkam.
    Angesichts der Vorgeschichte des wirklich bösen, schmutzigen, verdorbenen kleinen Mädchens war es erstaunlich, dass ihre Ehe nicht deshalb scheiterte, weil sie ihren Gatten betrog, sondern ihr Gatte sie. Sie genoss einen kurzen Aufenthalt auf der moralischen Hochebene.
    »Kurz« ist dabei das Stichwort. Kaum hatte sie sich an die köstliche Befriedigung gewöhnt, alles mögliche Schlimme zu sein, aber wenigstens bin ich kein beschissener Lügner, du Arschloch , wurde sie eines Nachts in der Wüste von Arizona von einem Werwolf gebissen und war gezwungen, von der moralischen Hochebene für immer Abschied zu nehmen. Sie stellte fest, dass sie nicht nur einmal im Monat Menschen töten und fressen konnte, sondern dass ihr das auch noch gefiel.
    Bis sie feststellte, dass sie schwanger war. Damit begann eine völlig neue Art von Scherereien.

Erster Teil
    Geburt
Was auch immer unsicher ist auf diesem stinkigen Misthaufen von einer Welt, die Mutterliebe ist es nicht.

James Joyce  – Ein Portrait des Künstlers als junger Mann

1
    »Oh. Mon Dieu «, sagte Cloquet, als er die Haustür öffnete und mich auf dem Boden liegen sah. »Merde.«
    Ich lag auf der Seite, hatte die Knie angezogen, das Gesicht schweißnass. Schwangerschaft und Hunger vertrugen sich nicht. Tatsächlich hassten sie sich. Ich stellte mir das Baby vor, wie es Werwolfsfingernägel gegen meine Gebärmutter presste – fünf Glassplitter auf der Hülle eines Ballons. Und die Schuld lag allein bei mir: Als ich es hätte loswerden können, wollte ich nicht. Jetzt, wo ich es wollte, war es zu spät. Das Gewissen des alten Lebens stellte fest: Geschieht dir recht . Ich hatte dem Gewissen schon vor Monaten gekündigt, aber es trieb sich immer noch hier herum, elend, unrasiert, wusste nicht wohin.
    »Hast du es bekommen?«, fragte ich keuchend. Hinter Cloquet ging die offene Tür auf tiefen Schnee hinaus, auf den Rand eines Fichtenwalds, auf zarte Konstellationen. Selbst in diesem Zustand griff mich Schönheit an. Ästhetische Überempfindlichkeit war ein Nebenprodukt der Schlächterei. Wie sich herausstellte, war das Leben voll von solchen amoralischen Zusammenhängen.
    Cloquet eilte zu mir hin. »Ruhig liegen bleiben«, sagte er. »Versuch nicht zu sprechen.« Er roch nach draußen, nach dichtem Immergrün und der fernen Nordluft, wie etwas von Engelsflügeln Gereinigtes. »Du hast Fieber. Hast du ausreichend getrunken?«
    Zum zigsten Mal wünschte ich mir, meine Mutter würde noch leben. Zum zigsten Mal dachte ich, wie unaussprechlich glücklich ich wäre, wenn sie und Jake jetzt grinsend zur Tür hereinkämen. Meine Mutter würde ihre Tasche in einer Wolke aus Chanel auf den Tisch plumpsen lassen und sagen: »Um Himmels willen, Lulu, schau dir mal deine Haare an« – die Last würde von mir abfallen, und alles wäre in Ordnung. Jake müsste gar nichts sagen. Er würde mich anschauen, und es würde in seinen Augen stehen, dass er immer und ewig für mich da sein würde – und die Albträume würden sich auf eine Handvoll lösbarer Probleme reduzieren (Natürlich hatte ich mit ihren Geistern gerechnet, nach ihnen verlangt. Bekommen hatte ich nichts. Wie sich herausstellte, interessierte sich das Universum ebenso wenig für die Bedürfnisse eines Werwolfs wie für jene eines Menschen).
    »Talulla?«
    Ich krümmte mich wieder vor Schmerz. Er ballte sich unter meinen Zehennägeln, erhitzte mir die Augäpfel. Wolf grinste und trat und drängte in meinem Blut. Na komm, was sind schon ein paar Stunden unter Freunden? Lass mich raus. Lass mich raus . Jeden Monat dasselbe wahnwitzige Bedrängen, dieselbe sinnlose Ungeduld. Ich schloss die Augen.
    Schlechte Idee. Sofort lief der verhasste Film wieder ab: Delilah Snows Zimmer, die Schranktür geht auf, der hohe Spiegel zeigt mich in all meiner grotesken Pracht. Was ich war, zu was ich fähig war, die ganze Bandbreite meiner Möglichkeiten. Ungeheuer. Mörderin. Werdende Mutter.
    Ich schlug die Augen auf.
    »Ich hole dir etwas Wasser«, schlug Cloquet
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